Familienfreundliche Festzelte und Brauchtumsveranstaltungen sind rauchfrei
Schadstoffbelastung durch Tabakrauch in Schützenfestzelten höher als in Kneipen
[29.09.2012/DKFZ/pk]
Die Atemluft in Festzelten ist in erheblichem Maße mit Schadstoffen aus dem Tabakrauch belastet. Das ergaben Messungen im Auftrag des Deutschen Krebsforschungszentrums auf Schützenfesten in Nordrhein-Westfalen, die in einer neuen Publikation der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Die Tabakrauchbelastung in den Festzelten lag sogar über den Werten, die zuvor in Kneipen und Diskotheken gemessen worden waren. Gesundheitlich bedenklich ist vor allem, dass sich bei allen besuchten Abendveranstaltungen Kinder in den Schützenfestzelten aufhielten. Der kindliche Organismus reagiert auf die Schadstoffe im Tabakrauch besonders empfindlich.
Die Messungen fanden Ende August bis Mitte September auf zwei Dorfschützenfesten sowie dem Neusser Bürgerschützenfest und dem Bundesschützenfest in Hürth statt. Im Schnitt war die Konzentration lungengängiger Partikel (Feinstaub) in den Festzelten mehr als fünfzig Mal so hoch wie im Freien. An manchen Standorten innerhalb der Zelte erreichte die Tabakrauchbelastung Spitzenwerte, wie sie im Jahr 2005, also vor der Einführung des bundesweiten Nichtraucherschutzgesetzes, in vollkommen verrauchten Zugbistros gemessen wurden.
Dabei standen die Eingangstüren und Fenster während der gesamten Messdauer offen. Bei geschlossenen Türen und Fenstern dürfte die Konzentration an Schadstoffen in den Zelten noch deutlich höher sein. Gesundheitlich bedenklich ist dies nicht zuletzt deshalb, weil Festzelte keine reinen Vergnügungsstätten sind, sondern auch Arbeitsstätten: Kellner, Musiker und Thekenpersonal müssen in den verrauchten Zelten oft über viele Stunden hinweg körperlich anstrengende Tätigkeiten verrichten.
"Schützenfeste sind genauso wie Karnevalsfeiern Feste für die ganze Familie", so Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum: "Auch während der Messungen bei Abendveranstaltungen waren Kinder anwesend. Dass sie in den Festzelten schutzlos dem Tabakrauch ausgesetzt werden, kann und darf so nicht bleiben." Die Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention begrüßt deshalb nachdrücklich das Vorhaben der nordrhein-westfälischen Landesregierung, die geltenden Ausnahmeregelungen für Festzelte und Brauchtumsveranstaltungen zu streichen.
Die aktuelle Untersuchung bestätigt, was der nordrhein-westfälische Hotel- und Gaststättenverband schon vor Jahren bemängelt hat. In einer Stellungnahme vom Oktober 2007 hatte der Dehoga NRW konstatiert: "Es ist nicht ersichtlich, warum in Festzelten - auch wenn sie nur vorübergehend aufgestellt werden, was der Belastung keinen Abbruch tut - geraucht werden darf, wo dort mehr Familien mit Kindern anzutreffen sind, als das in Kneipen oder Bars der Fall ist."
Die Messungen auf vier Schützenfesten in Nordrhein-Westfalen haben eine hohe Schadstoffbelastung der Atemluft durch Tabakrauch ergeben. Die hohe Konzentration lungengängiger Partikel stellt für die Festbesucher und die dort Beschäftigten eine leicht vermeidbare Gesundheitsgefahr dar. Es ist daher nicht zu verantworten, dass ausgerechnet in den Festzelten das Rauchen weiterhin erlaubt bleibt.
Rauchfreie Festzelte sind keineswegs gleichbedeutend mit einem "Ende der Gemütlichkeit" und einem "Aus für das Brauchtum", wie manche Schützenverbände behaupten. In Bayern ist das Rauchverbot in Festzelten nach dem Volksentscheid am 4. Juli 2010 ohne große Probleme umgesetzt worden. Dies gilt nicht nur für den Massenandrang auf dem Oktoberfest in München, sondern auch für die zahlreichen Festveranstaltungen in kleineren bayerischen Städten und Dörfern, die mit den Schützenfesten in Nordrhein-Westfalen durchaus vergleichbar sind.
Die Messungen wurden im Auftrag des Deutschen Krebsforschungszentrums durch das umwelttechnische Ingenieurbüro Biomess (Korschenbroich) durchgeführt und von der Dieter-Mennekes-Umweltstiftung finanziert.