[22.10.2011/pk]
Seit dem ersten Oktober dürfen Tabakwaren in England nicht mehr über Automaten verkauft werden. Verstöße werden mit Geldbußen bis zu 2.500 Pfund geahndet, das sind umgerechnet etwa 2.900 Euro. Ab April 2012 dürfen Tabakwaren in Supermärkten nicht mehr offen ausgestellt werden. Für kleinere Geschäfte gilt eine drei Jahre längere Übergangsfrist, Tabakdrogen komplett unter dem Ladentisch verschwinden zu lassen.
Als Begründung führt der englische Gesundheitsminister Andrew Lansley an, der Tabakkonsum würde die "größte und hartnäckigste Herausforderung" des Gesundheitswesens darstellen. Jahrlich sterben in England 80.000 Menschen durch das Rauchen, mehr als acht Millionen Engländer hängen immer noch am Glimmstängel. Durch die Verbannung der Zigarettenautomaten sollen insbesondere Minderjährige vor dem Einstieg in die Nikotindrogensucht bewahrt werden.
Mit den üblichen Drohungen von Arbeitsplatzverlusten versuchten die Tabakdrogenhersteller, Stimmung gegen die neue Regelung zu machen. Bis zuletzt waren sie bemüht, das Gesetz gerichtlich stoppen zu lassen. Auch hierfür muss eine altbekannte Leier als Begründung herhalten: angeblich würde das Verbot den illegalen Handel begünstigen, die Menschenrechte und europäische Freihandelsgesetze verletzen. Nach Angaben der Tabakdrogenhersteller wäre ihre in langjähriger Arbeit entwickelte Technik für Zuganskontrollsysteme mit Altersbeschränkung "mindestens so wirksam" wie ein gesetzliches Verbot.
Das Gericht folgte jedoch der Argumentation der Tabakdrogenhersteller nicht. Der Vorsitzende des obersten Berufungsgerichts urteilte, angesichts der Gesundheitsrisiken des Tabaks wäre "praktisch alles, was eine Regierung unternimmt, um den Zugang zu Tabakwaren insbesondere für Jugendliche zu erschweren, fast selbstverständlich eine Maßnahme, die von keinem Gericht behindert werden sollte". Die vom Gesundheitsministerium herangezogenen Statistiken seien, so der Vorsitzende Richter, nicht wirklichkeitsfremd. Das Verbot sei sowohl gesetzmäßig als auch angemessen.
In Wales und Nordirland tritt im kommenden Februar ebenfalls ein solches Verbot in Kraft. Die walisische Regierung will mit dieser Maßnahme den illegalen Zugang Jugendlicher zu Tabakdrogen unterbinden. Jeder zehnte rauchende Jugendliche im Alter zwischen 11 und 15 Jahren besorgt sich die Kippen am Automaten - obwohl im Vereinigten Königreich Tabakwaren an Minderjährige nicht abgegeben werden dürfen, und Tabakdrogenautomaten nur noch in Pubs und Restaurants unter Aufsicht erlaubt waren. Die British Medical Association kritisiert, die bisherigen Maßnahmen und freiwilligen Selbstverpflichtungen hätten nicht die notwendige Wirksamkeit gezeigt.
Ein Verbot der stillen Killer, wie die Tabakwarenautomaten auch genannt werden, befindet sich in Schottland ebenfalls in Vorbereitung. Ursprünglich hätte das entsprechende Gesetz bereits im vergangenen Jahr in Kraft treten sollen. Durch immer neue Klagen der Tabakdrogenindustrie hatte sich dessen Einführung jedoch verzögert. Inzwischen haben die Gerichte die Klagen der Zigarettenproduzenten abgewiesen und das Inkrafttreten der neuen Regelung ermöglicht. Schottland folgt zudem zeitgleich der englischen Regelung, Tabakwaren in Geschäften aus dem Blickfeld zu verweisen. Tabakdrogenhändler müssen sich zudem registrieren, um ihre Lizenz nicht zu verlieren.
Die schottische Landesregierung hatte bereits im Jahr 2009 beschlossen, Zigarettenautomaten zu verbieten, um das Rauchen von Kindern einzudämmen. Nach Angaben der schottischen Gesundheitsbehörden war die Raucherquote unter Minderjährigen nach einem vorübergehenden Rückgang wieder auf ein Niveau geklettert, das zuletzt zehn Jahre zuvor erreicht worden war. Die Landesregierung hatte sich daher das Ziel gesetzt, die Quote jugendlicher Raucher bis zum Jahr 2012 auf unter 23 Prozent zu drücken.
Gesundheitsministerin Shona Robison äußerte zu dem geplanten Gesetz: "Zu viele Menschen mussten bereits mit ansehen, wie ihre Angehörigen an tabakbedingten Krankheiten leiden und sterben. Ich bin überzeugt, dass wir alles Menschenmögliche unternehmen müssen, um die zukünftigen Generationen davor zu schützen." Die gesetzlichen Maßnahmen dienten der Eindämmung des Tabakkonsums bei Jugendlichen, indem Tabakprodukte weniger attraktiv und schwerer zugänglich werden. Die Gesundheitsministerin wies auf die wissenschaftlich gefestigte Erkenntnis hin, dass ein Einstieg in die Tabakdroge im Alter von 15 Jahren im Vergleich zu Mittzwanzigern mit einem dreifach höheren Krebsrisiko einhergeht.
Dr. Harry Burns, Chief Medical Officer, bezeichnete die Tabakprävention bei Jugendlichen als eine der größten Herausforderungen, die das Land zu meistern habe. Burns weiter: "Rauchen verursacht enorme Gesundheitsschäden und ich glaube nicht, dass es irgendeine Rechtfertigung dafür gibt, weiter Werbung für ein derart gefährliches Produkt oder es an Automaten frei verfügbar zu machen."
Laut einer Umfrage von ASH Scotland sind fast 90 Prozent der schottischen Bevölkerung dafür, Tabakdrogenhändlern die Lizenz zu entziehen, falls sie wiederholt gegen das Abgabeverbot von Tabakwaren an Minderjährige verstoßen. Nur vier Prozent der Befragten sprachen sich dagegen aus. Zwei Drittel unterstützen die geplante Regelung, nach der sich Tabakwarenhändler beim "Scottish Tobacco Retailer Register" anmelden müssen, um den Behörden die Kontrolle und Durchsetzung der Jugendschutzbestimmungen zu ermöglichen.
Nach Angaben des Wohlfahrtsverbands fangen jährlich 15.000 junge Schotten mit dem Rauchen an. Je früher der Einstieg in die Tabakdroge stattfindet, desto größer sind die damit verbundenen Gesundheitsgefahren und umso schwieriger ist der Ausstieg aus der Nikotinsucht. Demzufolge sei es sinnvoll, ein tödliches und süchtig machendes Produkt wie Tabak, das nur an Erwachsene verkauft werden darf, gesetzlich zu regulieren. Ähnliche Regelungen würden auch für andere altersbeschränkte Waren gelten. So sei beispielsweise der Verkauf von Alkohol lizenzrechtlich beschränkt, um Kinder davor zu schützen.