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Fotodokumentationen

Zigaretten sind radioaktiv verseucht

Tabakindustrie verheimlichte Studien über gefährliche Isotope in Tabakdrogen

[12.03.2011/pk] Wie ehemals geheime interne Dokumente der Tabakindustrie zeigen, ist der Tabakindustrie eine radioaktive Verseuchung ihrer Produkte seit fast einem halben Jahrhundert bekannt. Die Nikotindrogenhersteller haben sich selbst jahrzehntelang in wissenschaftlichen Studien mit diesem Problem befasst. Die Ergebnisse wurden jedoch unter Verschluss gehalten, um die Öffentlichkeit nicht zu beunruhigen und die Geschäftstätigkeit der Tabakindustrie nicht zu beeinträchtigen. Aus denselben Gründen kamen verbesserte Filter nie zum Einsatz. Krebskranke Raucher wurden als Kollateralschaden bewusst in Kauf genommen.

In einem Anfang 1964 im Auftrag des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums veröffentlichten Bericht "Rauchen und Gesundheit" kam ein Team von zehn hochkarätigen Wissenschaftlern zu dem eindeutigen Schluss, dass Rauchen erhebliche gesundheitliche Schäden verursacht. Der Spiegel vom 22.01.1964 berichtete ausführlich über die Details des 387-seitigen Berichts, die sich in einem Satz zusammenfassen lassen: "Zigarettenrauchen stellt in den Vereinigten Staaten eine Gesundheitsgefährdung solchen Umfangs dar, dass angemessene Gegenmaßnahmen gerechtfertigt sind." Die zehn Gelehrten kamen zu der Erkenntnis, das Risiko einer Lungenkrebserkrankung ist "für Zigarettenraucher zehnmal größer als für Nichtraucher". Für starke Raucher, die mehr als eine Packung pro Tag qualmen, erhöht sich dieses Risiko sogar auf das zwanzigfache.

Nicht einmal eine Woche nach dem Erscheinen dieses Berichts veröffentlichten die Harvard-Koryphäen Edward P. Radford und Vilma Rose Hunt den Nachweis des radioaktiven Spurenelements Polonium im Tabakrauch. Laut den beiden Forschern trägt diese Substanz "entscheidend zur Krebsbildung in den Bronchienwänden eines Rauchers" bei. Polonium ist einerseits hochgiftig - bereits geringste Mengen in der Größenordnung von 0,1 Mikrogramm im Organismus aufgenommen (eingeatmet, verschluckt oder über eine Wunde) führen innerhalb weniger Tage zum Tod. Zudem ist das radioaktive Isotop Polonium-210 ein starker Alpha-Strahler. Die Reichweite dieser Strahlung beträgt zwar nur wenige Zentimeter, mit dem Tabakrauch tief in die Lunge inhaliert kann sie dort jedoch ungehindert ihre zerstörerische Wirkung entfalten.

Wie der Spiegel am 29.01.1964 berichtete, hatte nach der Veröffentlichung des US-Berichts ein Sprecher der deutschen Zigarettenindustrie gegenüber dem Magazin erklärt, "wenn irgend jemand in der Welt einen gefährlichen Stoff (in der Zigarette) findet kommt er 'raus". Dieses Versprechen stellte sich jedoch leider als leere Phrase heraus. Dabei war das Problem nicht einmal, dass die Nikotindrogenhersteller dieser bedeutenden Herausforderung nicht gewachsen gewesen wären. Wie sich nach dem Bekanntwerden interner Dokumente der Tabakindustrie herausstellte, hatten die Kippenhersteller intensive Forschung zu dem Problem radioaktiver Stoffe im Tabak und dessen Filterung in Zigaretten betrieben.

Viele Wissenschaftler dachten zu jener Zeit, die Radioaktivität sei die Hauptursache für die tödliche Wirkung der Zigarette. Um sich einen Wissensvorsprung zu sichern und die öffentlichen Diskussionen unter Kontrolle halten zu können, erforschten Mitarbeiter der Tabakindustrie beispielsweise Messmethoden für den Poloniumgehalt im Tabak und den Urangehalt in Düngemitteln. In den ehemals geheimgehaltenen Dokumenten der Tabakindustrie finden sich hunderte von Untersuchungsberichten über Polonium.

Wie der Wissenschaftshistoriker Robert Proctor von der Stanford University in einem Interview mit der Welt berichtet, hatte die Tabakindustrie sogar "erfolgversprechende Methoden entwickelt, um das Polonium-Problem zu lösen, wie etwa spezielle Filter an den Zigaretten, Tabakwaschungen nach der Ernte oder Veränderungen am Dünger". Laut Proctor wurden all diese Maßnahmen jedoch aus Kostengründen fallen gelassen: "Stattdessen beschloss man, den Mantel des Schweigens darüber zu legen". Denn die Tabakindustrie wollte ihre Kunden nicht durch weitere Diskussionen über radioaktive Substanzen in den Glimmstängeln verunsichern, und damit - zu Gunsten der Gesundheit der Raucher - einen Umsatzverlust hinnehmen.

Laut Proctor sind die Filter in Zigaretten ohnehin nur ein Mythos: "Sie beruhigen die Öffentlichkeit, obwohl die Zigaretten-Industrie seit den 30er-Jahren weiß, dass die Filterfunktion des Tabak selbst genauso gut ist, wie die des Zellulose-Azetats, das heute in Filtern verwendet wird." Von Experten wird deshalb ein Verbot von Zigarettenfiltern gefordert, da sie nur der Industrie Geld sparen würden und den Rauchern ein trügerisches Gefühl des "sichereren Rauchens" vermitteln würden.

Die im Tabak enthaltenen radioaktiven Stoffe sind nicht nur für den Raucher gefährlich, der aktiv den so genannten Hauptstromrauch aus der Zigarette saugt. Dieser enthält nur etwa zehn Prozent der radioaktiven Elemente. Etwa die dreifache Menge befindet sich im Nebenstromrauch, der neben den Rauchern auch von unfreiwilligen Passivrauchern eingetamet wird. An diesen Zahlen lässt sich übrigens ablesen, dass die angeblichen Bemühungen um bessere Zigarettenfilter zur Elimination von Polonium reine Augenwischerei sind. Nur zehn Prozent der strahlenden Materie werden überhaupt durch den Filter geleitet, ein weitaus größerer Anteil gelangt ungehindert in die Atemluft.

Der Rest der strahlenden Substanzen, etwas mehr als die Hälfte, bleibt im Stummel und in der Asche zurück. Rüchsicktslose Raucher, die täglich Millionen von Zigarettenkippen und ihre Asche ganz unverfroren und mit der größten Selbstverständlichkeit in die Umwelt "entsorgen", verseuchen die Natur mit ihren giftigen Abfällen, die eigentlich auf eine Sondermülldeponie gehören.

Die Hauptursache für die im Tabak enthaltete Radioaktivität ist der Einsatz phosphatreicher Dünger im Tabakanbau. Dieser stammt vor allem aus Kalziumphosphatgestein, das Radium-226 und dessen Zerfallsprodukte Blei-210 und Polonium-210 enthält. Die radioaktiven Isotope werden vom Tabak über die Wurzeln aufgenommen. Radioaktives Polonium, das über feinste Staubteilchen bei der Ausbringung des Düngers in die Luft gelangt, wird von der Tabakpflanze ebenfalls über feine Pflanzenhaare an der Blattoberfläche aufgenommen und gespeichert. Interessanterweise enthält in einigen Entwicklungsländern der Phosphatdünger nur ein Drittel des radioaktiven Poloniums im Vergleich zu dem in entwickelten Ländern eingesetzten Dünger. In den USA ist die im Tabak enthaltete Radioaktivität im Lauf der Zeit sogar immer weiter gestiegen. Es ist bezeichnend für die menschenverachtende Geschäftspolitik der Tabakdrogenhersteller, dass ein Verzicht auf derartige Düngemittel - das einfachste und effizienteste Mittel zur Vermeidung der radioaktiven Belastung der rauchenden Kundschaft - für diese mörderische Industrie gar nicht zur Debatte stand.

Die Tabakdrogenindustrie verheimlichte nicht nur ihre eigenen Erkenntnisse über Radioaktivität im Tabak. Sie bemühte sich nach Kräften, jegliche Diskussionen darüber im Keim zu ersticken oder unter Verschluss zu halten. Die zuvor erwähnten Studienergebnisse von Radford und Hunt, die radioaktives Polonium-210 im Tabakrauch als Auslöser von Lungenkrebsfälle identifiziert hatten, wurden heftig von Alexander Holtzman attackiert. Er stellte die These auf, Polonium im Tabarauch wäre ungefährlich, da es zusammen mit den löslichen Bestandteilen des Tabakrauchs sehr schnell aus den Bronchien abtransportiert würde.

Einen derartigen öffentlichen Disput und die damit verbundene Aufmerksamkeit konnte die Tabakindustrie nun überhaupt nicht gebrauchen. Alexander Holtzman hatte sich mit seiner Arbeit ganz offensichtlich auf die Seite der Tabakdrogenhersteller geschlagen, und war damit sicherlich leichte Beute für Philip Morris. Der Konzern beschäftigte den Forscher kurzerhand selbst als "Assistant General Counsel". Holtzman stand von 1975 bis 1985 in Diensten des Tabakmultis, und war damit bei Veröffentlichungen auf die Erlaubnis seines Arbeitsgebers angewiesen.

Im Jahr 1974 hatte Edward A. Martell vom "National Center for Atmospheric Research" seine Studienergebnisse über Radioaktivität in den Tabaktrichomen (Pflanzenhaaren) und unlöslichen Tabakrauchpartikeln veröffentlicht. Martell kommt darin zu der Schlussfolgerung, dass radioaktives Polonium im Tabakrauch die Hauptursache für Bronchialkarzinome bei Rauchern sei. Die krebsauslösende Wirkung beruht insbesondere auf einer Anhäufung (so genannte "Hot Spots") von unlöslichen Tabakrauchpartikeln in den Verzweigungen der Bronchien, die das Lungengewebe an den betreffenden Stellen einer konzentrierten Strahlungsdosis aussetzen.

Weitere Artikel zum Thema veröffentlichte Martell 1975, unter anderem auch in Zusammenarbeit mit Radford. Damit war die Glaubwürdigkeit der von Alexander Holtzman aufgebauten Zweifels an der Schädlichkeit von Polonium-210 im Tabakrauch wieder einmal zerstört. Aus einem internen Besprechungsprotokoll von Philip Morris wird mit der abwertenden Haltung der Tabakindustriemitarbeiter auch gleich ihre Angriffsrichtung ersichtlich: "Dieser Artikel ist insofern bemerkenswert, als Martell dadurch alle menschlichen Leiden der Alpha-Strahlung zuschrieb, und mit einem Verweis auf die mit dem Zigarettenrauchen verbundenen Probleme die Warnung vor der nuklearen Energiewirtschaft verband."

Die Philip-Morris-Wissenschaftler versuchten (erfolglos, wie an dieser Stelle vorwegnehmend erwähnt sei) den Nachweis zu erbringen, dass eventuelle Schäden durch Radioktivität in Tabakdrogen nicht in die Verantwortung des Tabakkonzern fallen würde, sondern durch natürliche oder andere Einflüsse außerhalb des Einflusses von Philip Morris verursacht sei. Bei dieser Forschung spielte es also keine Rolle, dass Raucher weiterhin an Lungenkrebs sterben würden. Der Tabakmulti wollte sich mit Hilfe der zu gewinnenden Erkenntnisse nur aus der Verantwortung stehlen.

Das interne Philip-Morris-Besprechungsprotokoll verdeutlicht die weitere Kampfstrategie der Tabakindustrieforschung. Nachdem die Tabakwissenschaftler die Daten von Martell qualitativ nicht widerlegen konnten, stürzten sie sich auf angebliche Ungenauigkeiten in dessen quantitativen Ergebnissen sowie angebliche Fehlannahmen, die diesen Resultaten zu Grunde liegen. Mit Feuereifer entwickelten sie umfangreiches Material, um Martell und seine Studienergebnisse zu verreißen - interessanterweise unter völliger Ignoranz der zu Grunde liegenden Erkenntnisse, dass in Raucherlungen eben jene "Hot Spots" und daraus entstehende Tumore beobachtet wurden.

Da weitere Veröffentlichungen von Martell, Radford und anderen unabhängigen Wissenschaftlern ausstanden, beschloss Philip Morris "dieses interessante Thema weiter zu verfolgen". Alexander Holtzman erhielt ein Manuskript der Forschungsabteilung des Tabakkonzerns, inklusive "weiterer Informationen zur Abschätzung der potenziellen Probleme schwacher Strahlung in allen Geschäftsabläufen der PM [Anm.: Philip Morris] ...". Darüber hinaus wurde Holtzman bevollmächtigt, diese Ergebnisse in seinem Namen zu veröffentlichen - bezeichnenderweise also unter Verheimlichung der Urheberschaft des Philip Morris Research Center - und die daraus resultierenden Lorbeeren einzuheimsen. Dieses scheinbar großzügige Angebot kam jedoch dem Interesse des Tabakdrogenherstellers insofern entgegen, als die Veröffentlichung durch einen scheinbar unabhängigen Dritten die Glaubwürdigkeit erhöhte.

Die kampfbereiten Forscher im Dienste des Philip-Morris-Konzerns, die ihren Brötchengeber wacker in ihrer Schlacht um die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit zu verteidigen versuchten, wurden jedoch von der Rechtsabteilung des Tabakmultis jäh aus ihren Träumen vom Sieg über die verhassten Gegner gerissen. In einem Dokument "Diskussion mit Alex Holtzman" aus dem vormals geheimen Philip-Morris-Archiv" wird im ersten Punkt die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse erwähnt: "Das Dokument über Po-210 wurde vom Forschungszentrum [Anm.: Philip Morris Research Center] vorbereitet und befindet sich derzeit bei der Rechtsabteilung zur Begutachtung vor der Veröffentlichung".

Die Juristen des Tabakdrogenherstellers versagten jedoch den eifrigen Tabakforschern den Triumph einer Veröffentlichung. Wie der ehemals von Philip Morris beschäftigte Wissenschaftler William Farone später in einem Gerichtsverfahren aussagte, war dafür die Angst vor den Folgen eines Rechtsstreits ausschlaggebend. Zum "Polonium-Problem" befragt antwortete Farone, dass die von Philip Morris in den Jahren 1981/82 ins Leben gerufene Forschungseinrichtung zur Messung der Strahlung im Tabak nach nicht einmal fünf Jahren wieder eingestellt wurde. Als Grund gab Farone auf die bohrenden Fragen des Richters an, die Forschungseinrichtung hätte "Beweise erbracht, die der Firma in Gerichtsverfahren wie diesem schaden könnten".

Interne Philip-Morris-Dokumente zeigen, dass von den internen Berichten der Firma über Polonium-210 praktisch nichts veröffentlicht wurde. Im Jahr 2006 befand die US-Richterin Gladys Kessler den Tabakdrogenhersteller für schuldig, "laufende Forschung zu verhindern oder zu beenden, existierende Forschung zu verheimlichen und heikle Dokumente zu vernichten, um seine öffentliche Position bezüglich Rauchen und Gesundheit zu schützen". Philip Morris habe dies, so Kessler, aus reinem Eigennutz betrieben "um die Verantwortung für Rechtsansprüche im Zusammenhang mit Rauchen und Gesundheit abzuwälzen oder zu beschränken und behördliche Einschränkungen der Tabakindustrie zu verhindern".

Auch heute noch verschweigen die Tabakdrogenproduzenten die Gefahr von radioaktivem Polonium in Tabakwaren, um Auseinandersetzungen mit möglicherweise umsatzschmälernden Folgen zu vermeiden und Schadensersatzforderungen jegliche Grundlage zu entziehen. Auf den Internetseiten der Tabakindustrie finden sich zwar vage Hinweise, es gäbe "keine sichere Zigarette", aber die konkrete und von der Tabakindustrie selbst in Jahrzehnten erforschte Gefahr radioaktiven Tabaks wird weiterhin verheimlicht. Den Schaden trägt der rauchende Kunde.


Quellen und weitere Informationen

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