[05.03.2011/pk]
Diskussionen um das Rauchen haben meist die tödliche und gesundheitsschĂ€dliche Wirkung der Tabakdroge zum Thema. Politiker zitieren gerne Studien ĂŒber zurĂŒck gehenden Tabakdrogenkonsum, die den Erfolg ihrer PrĂ€ventionsbemĂŒhungen untermauern sollen. Da das GeschĂ€ft mit Nikotindrogen mittlerweile deutlich in Verruf geraten ist - in Norwegen beispielsweise wurden Tabakaktien von der Ethikkommission vollstĂ€ndig aus dem Pensionsfonds verbannt - machen sich auch Kapitalanleger zunehmend Gedanken darĂŒber, ob das MordsgeschĂ€ft der Tabakindustrie noch lukrativ ist.
Wohin der Trend beim Rauchen - der GeschĂ€ftsgrundlage der Tabakdrogenindustrie - in Zukunft geht, zeigt die aktuelle Studie einer britischen Investmentbank. Demzufolge ist die Tendenz zum Tabakkonsum stark rĂŒcklĂ€ufig, Rauchen ist ganz klar out. Im Vereinigten Königreich und den entwickelten Staaten wird die Fluppe in den nĂ€chsten 30 bis 50 Jahren praktisch aus dem Alltag verschwinden, so die Autoren der Studie.
Die Aktien von British American Tobacco (BAT) und Imperial Tobacco gingen nach der Veröffentlichung des Studienberichts auf Tauchstation. Tabakaktien galten ĂŒber Jahrzehnte als stabile und Ă€uĂerst eintrĂ€gliche Geldanlage, weil die Gewinne im Gleichschritt mit den Preissteigerungen immer neue Höhen erklommen. Der Bericht der Citigroup schĂŒrte jedoch, so die einhellige Auffassung britischer Zeitungen, die dĂŒstersten Ăngste der Tabakaktienbesitzer, dass die Nachfrage nach GlimmstĂ€ngeln mit steigenden Preisen ĂŒberproportional sinkt. Die Citigroup stufte die groĂen Tabakkonzerne Imperial Tobacco, British American Tobacco und Philip Morris International herab und revidierte ihre frĂŒhere Kaufempfehlung.
Adam Spielman, Finanzanalyst bei der Citigroup, ruft zur ErlÀuterung die Raucherquote unter Erwachsenen in Erinnerung (die beachtliche Zahl illegal rauchender MinderjÀhriger wurde erst sehr spÀt offiziell anerkannt und dokumentiert). WÀhrend im Vereinigten Königreich noch im Jahr 1960 mit 53 Prozent mehr als die HÀlfte der Erwachsenen zum GlimmstÀngel griff, sank diese Quote auf 21 Prozent im Jahr 2008.
Der Finanzanalyst sieht bei einer Fortdauer dieses Trends die wichtigsten TabakdrogenmĂ€rkte bis 2050 rauchfrei. Diese These untermauert er mit dem Hinweis auf die harten Fakten der letzten 50 Jahre, die nicht ignoriert werden könnten. Die prozentuelle Abnahme des umgesetzten Volumens werde dabei stetig steigen. Spielman sieht deshalb eine hohe Wahrscheinlichkeit, "dass es in GroĂbritannien und vielen anderen entwickelten LĂ€ndern in 30 bis 50 Jahren keine Raucher mehr geben werde".
GroĂbritannien spielt in Europa eine fĂŒhrende Rolle in der TabakprĂ€vention. Die Einheitsverpackung fĂŒr Tabakdrogen steht vor der EinfĂŒhrung, um insbesondere Kinder vor dem Neueinstieg abzuhalten. Die Analysten der Citigroup messen dieser Tatsache zwar keine groĂe Bedeutung fĂŒr die UmsĂ€tze der Tabakdrogenhersteller bei, weil sich Raucher davon nicht von ihrer Sucht abbringen lieĂen. Dabei vergessen die BörsenhĂ€ndler jedoch ein wichtiges Detail: der Tabakindustrie sterben die Kunden vorzeitig weg. Wie interne Tabakindustriedokumente zeigen, wurde der Kundennachschub bislang gezielt unter Jugendlichen rekrutiert.
Je weniger attraktiv eine teure aber unscheinbare Packung mit stinkenden Tabakröllchen ist, desto weniger MinderjĂ€hrige lassen sich in die Nikotinsucht verfĂŒhren. Erwachsene fangen nur in seltenen FĂ€llen zu rauchen an, so dass der Trend zum Nichtrauchen in der Tat beschleunigt wird. Nicht vergessen werden sollte auch die Tatsache, dass inzwischen 168 Staaten die WHO-Konvention unterzeichnet, und sich damit förmlich zur EindĂ€mmung der Tabakepidemie verpflichtet haben.
Möglicherweise kommt UnterstĂŒtzung fĂŒr die These einer baldigen rauchfreien Zukunft auch noch von einer anderen, völlig unerwarteten Seite. Der Zukunftsforscher Horst Opaschowski von der BAT-Stiftung fĂŒr Zukunftsfragen sieht in keiner seiner Zukunftsvisionen die gegenwĂ€rtigen Probleme des GlimmstĂ€ngels. Krankheit und Tod von Millionen verfĂŒhrten Rauchern und die ganz nebenbei vergifteten Passivraucher sind in der Zukunft fĂŒr ihn kein Thema. Akribisch und penibel hat Opaschowski in zahlreichen BĂŒchern und Publikationen die Probleme der nĂ€chsten Jahrzehnte bis ins Kleinste aufgezĂ€hlt, analysiert und erklĂ€rt - das Rauchen und jeglicher Tabakkonsum im Allgemeinen wird in diesem Zusammenhang ĂŒberhaupt nicht erwĂ€hnt.
Vielleicht ignoriert der Wissenschaftler, der fast sein gesmtes Erwerbsleben im Dienste des Tabakkonzerns British American Tobacco (BAT) stand, das Problem der Tabakdrogen aus reinem Opportunismus. Ganz im Sinne seines Brötchengebers, um die von der Tabakindustrie verursachten Toten, Kranken, Naturzerstörung und anderes UnglĂŒck einfach zu verdrĂ€ngen.
Denkbar ist es aber nun, dass das Schicksal eine ungeahnte Wendung nimmt und dem Tabaklobbyisten auf ĂŒberraschende Weise Recht gibt. Das Rauchen fordert in absehbarer Zukunft keine Menschenleben mehr, weil es schlicht und einfach eine ausgestorbene Sucht aus der dunklen Vergangenheit darstellt. In 50 Jahren wird die zukĂŒnftige Generation auf den Anachronismus des Rauchens und seiner Nikotinsklaven genauso befremdet zurĂŒckblicken, wie wir heute auf die Sklaverei vergangener Jahrhunderte.