Bundesregierung in Konflikt mit internationalem Abkommen
[08.01.2011/pk]
Im vergangenen Dezember beschloss die Bundesregierung eine schrittweise Anhebung der Tabaksteuer. Nach dem geänderten Tabaksteuergesetz erfolgt die erste Erhöhung zum 1. Mai 2011, in den Folgejahren bis 2015 wird die Steuer auf Tabakprodukte jeweils zum 1. Januar leicht angehoben. Damit wird eine Schachtel Zigaretten jährlich um etwa vier bis acht Cent teurer als bisher. Durch die Einführung einer Mindeststeuer steigt bei Feinschnitt und Zigarillos der Preis etwas stärker an.
Bedauerlicherweise wurden bei dieser Entscheidung nur finanzielle Interessen berücksichtigt. Durch die Erhöhung soll eine durch die Entlastung der Unternehmen entstandene Lücke im Sparpaket geschlossen werden. In enger Abstimmung mit zahlreichen Vertretern der Tabakindustrie wählte die Bundesregierung diese Trippelschrittlösung, um der Profitgier der Kippenhersteller nicht im Weg zu stehen. Bereits die Beratung des Ausschusses zu Tabaksteuererhöhung wurde klar von der Tabaklobby dominiert, mehr als die Hälfte der eingeladenen Experten (elf von 21) entstammen der Nikotindrogenbranche. Ohne jeglichen Widerstand ließen sich unsere so genannten Volksvertreter von dieser mörderischen Industrie vereinnahmen, und verhindern nun damit wenigstens für weitere fünf Jahre, dass die Tabaksteuer als wirksames Mittel der Tabakprävention eingesetzt werden kann.
Die Gesundheitsinteressen wurden bei dieser Tabaksteuererhöhung völlig außer Acht gelassen. Dabei würde die desolate finanzielle Situation unseres Gesundheitssystems eine Entlastung dringend benötigen. Tabakkonsum ist das wichtigste vermeidbare Gesundheitsrisiko in Deutschland, durch das den Krankenkassen, der Wirtschaft und der Gesellschaft Milliardenschäden aufgebürdet werden. Zudem hat die Bundesregierung im Jahr 2003 das Tabakrahmenabkommen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterzeichnet, und sich damit zu wirksamen Maßnahmen zur Tabakprävention verpflichtet. Ausdrücklich werden darin deutlich spürbare Tabaksteuererhöhungen als eines der wichtigsten Steuerungsinstrumente bezeichnet. Die Mitglieder der schwarz-gelben Regierungskoalition brechen diesen Vertrag ohne jegliche Hemmungen.
Die hauptsächlich von der SPD und den Grünen zur Anhörung geladenen Gesundheitsexperten hatten gefordert, die Tabaksteuer sofort in einem oder maximal zwei großen Schritten zu erhöhen, um dadurch gemäß der vertraglichen Verpflichtungen des Tabakrahmenabkommen auch eine Eindämmung der Nikotinsucht zu erzielen. Unter den Suchtexperten besteht der Konsens, dass eine einmalige deutliche Tabaksteuererhöhung mehr Raucher zum Ausstieg aus der Tabakdroge bewegt, als etliche kaum spürbare Anhebungen. Entsprechend wird der Beschluss der Bundesregierung vom suchtpolitischen Sprecher der Grünen, Harald Terpe, als wenig effektiv kritisiert.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung setzte dagegen bei der Anhörung voll auf ihre Lobbykontakte von der Tabakindustrie, die nach Information des dapd überwiegend von den Regierungsparteien CDU/CSU und FDP eingeladen wurden. Wie selbstverständlich tummelten sich die Vertreter der vier weltgrößten Tabakdrogenproduzenten British American Tobacco (BAT), Reemtsma, Philip Morris und des japanischen Zigarettenherstellers JT International im Ausschuss. Auch die Tabaklobbyisten des Deutschen Zigrettenverbandes (DZV) und der Bundesverbände des Tabakwaren-Einzelhandels (BTWE) und der Deutschen Tabakwaren-Großhändler und Automatenaufsteller (BDTA) stießen bei den wenig kritischen Regierungsvertretern auf offene Ohren. Selbst die zweitrangigen Drogenlobbyisten der Mittelständischen Unternehmen der Tabakwirtschaft (MUT) und des Verbands der deutschen Rauchtabakindustrie (VdR) durften den Ausschuss für sich vereinnahmen.
Diese unausgewogen, nikotindrogenlastige Berieselung der Ausschussberatung wird auch vom SPD-Abgeordnete Lothar Binding heftig kritisiert: "Bei der Tabaksteuererhöhung geht es für die Unternehmen um knallharte Interessenvertretung. Da kann es nicht sein, dass so viele Lobbyisten als angebliche Sachverständige auftreten. Das ist so, als würden sie Frösche fragen, wenn sie einen Sumpf austrocknen wollen".
Das Aktionsbündnis Nichtrauchen (ABNR) kritisiert die zaghafte Tabaksteuererhöhung im Sinne der Tabakindustrie: "An eine Steuererhöhung in fünf Schritten können sich die Konsumenten gewöhnen und Feinschnitt bleibt trotz der stärkeren Anhebung immer noch deutlich preiswerter als Fertigzigaretten. Die Zigarettenindustrie muss also letztlich keinen nennswerten Einbruch bei den Konsumenten und damit bei den Absatzzahlen befürchten."
In seiner Stellungnahme zur Anhörung hat das ABNR vier Forderungen an Tabaksteuererhöhungen aufgelistet, die einen nachhaltigen Nutzen für die Gesundheit der Bevölkerung im Sinne des "WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs" (FCTC) ermöglichen:
Die Erhöhung der Tabaksteuer sollte in einem Zug und nicht in fünf kleinen Schritten umgesetzt werden
Die unterschiedlichen Steuersätze für Tabakwaren sollten einander angeglichen werden, um Substitutionseffekte zu vermeiden
Die Einnahmen durch die Tabaksteuer sollten - zumindest teilweise - für Maßnahmen zur Verbesserung der Tabakprävention verwendet werden
Die Erhöhung der Tabaksteuer sollte in ein umfassendes Progamm zur Tabakprävention eingebunden werden
Über alle diese Punkte hat sich die Bundesregierung im Interesse der Tabakdrogenindustrie hinweggesetzt. Wer kann sich da noch wundern, dass die Regierungsfraktion zunehmend die Rückendeckung der Bevölkerung verliert und das Ansehen der Politiker immer neue Rekordtiefstände erreicht...
Noch ein interessantes Detail zur Anhörung soll an dieser Stelle kurz erwähnt werden. Deutliche Kritik an der geplanten Steuererhöhung kam übrigens nicht, wie vielleicht erwartet, von der Tabakindustrie. Diese hatte sich, nach sechs Jahren ohne Anhebung, bereits auf "maßvolle" Steuererhöhungen eingestellt, beziehungsweise diese sogar als einen "Schritt in die richtige Richtung" (Originalton Philip Morris) bezeichnet. Harsche Kritik über diesen angeblichen "Irrweg" hagelte es von der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft, die nicht nur eine Zunahme des Schmuggels befürchtet, sondern auch absolut nicht an die geplanten Mehreinnahmen aus der Tabaksteuer glauben will.
Ist es nun wirklich ein Zufall, dass die Kippenproduzenten sich als verantwortungsvoll und einsichtig darstellen, während andere scheinbar unabhängige Stellen - hier die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft - sich in der Öffentlichkeit stellvertretend für die Interessen der Tabakdrogenindustrie einsetzen? Einige Recherchen über die Verbindungen der Tabakindustrie mit dem Deutschen Zoll bringen eine Fülle interessanter Details zu Tage, insbesondere über Philip Morris. Philip Morris "unterstützt" den Zoll mit Spürhunden. Philip Morris führt gemeinsame Kampagnen wie "Schwarzrauchen - eine miese Nummer" mit dem Zoll durch. Philip Morris "hilft" dem Zoll bei der Identifizierung von Schmuggelzigaretten. Philip Morris führt noch eine Reihe weiterer Aktivitäten für den Zoll durch und finanziert sie sogar. Für Otto Normalverbraucher sieht das eher danach aus, dass der Tabakmulti inzwischen den Zoll vollkommen unterwandert hat - und das noch völlig unverblümt und mit Billigung unserer Politiker.
Fazit: Mit ihrer Ignoranz gegenüber den Gesundheitsinteressen verdrängt die Bundesregierung eine höchst wichtige Tatsache. Die Tabakindustrie betreibt nicht einfach irgendein reguläres Geschäft, es geht um das Geschäft mit Drogen. Die Tabakdroge, die nur aus reiner Willkür von eben dieser Bundesregierung per Gesetz als "legal" deklariert wird, kostet in Deutschland jährlich nicht nur weit über 100.000 Konsumenten das Leben, sondern auch 3.300 Passivraucher. Es geht also nicht nur einfach ums Geld, es geht um ein Geschäft mit dem Tod, an dem sich die Bundesregierung - übrigens erschreckend ähnlich den Methoden der Mafia - beteiligt, indem sie die Tabakmörder gewähren lässt und dafür ihren Anteil (scheinbar harmlos als Tabaksteuer getarnt) abschöpft.