[03.04.2010/pk]
Vor zwei Tagen meldete das Forum Rauchfrei, Post von Ministerpräsident Rüttgers und Außenminister Guido Westerwelle erhalten zu haben: "Beide antworteten auf ein Protestschreiben des Forum Rauchfrei. Sie entschuldigten sich für die von der Tabakindustrie gekauften Gespräche mit ihnen. Die vierstelligen Summen, die sie dafür eingenommen hatten, würden sie umgehend an das Forum Rauchfrei spenden."
Einen Tag später stellte sich jedoch heraus, dass der Traum vom Einlenken der Politiker beim Tabaksponsoring leider nicht wahr ist - das Ganze war bedauerlicherweise nur ein Aprilscherz. Wie das Forum Rauchfrei (das natürlich das schmutzige Geld der Tabakindustrie sowieso nicht angenommen hätte) mitteilte, war von den hochrangigen Politikern nicht die geringste Entschuldigung für ihr Verhalten zu vernehmen. Obwohl eine solche Abbitte durchaus angebracht wäre. Denn die Politiker verstoßen gegen ihre eigenen Regeln - schließlich hat die Bundesregierung im November 2008 auf der WHO-Konferenz in Durban den Leitlinien zur Umsetzung des Artikels 5.3 des Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs zugestimmt.
Nach diesen Leitlinien verstoßen die politischen Entscheidungsträger gegen das Tabakrahmenabkommen - ein von der Bundesregierung abgesegneter internationaler Vertrag - wenn sie keine "Distanz gegenüber der Tabakindustrie" einhalten. Ausdrücklich sind in dem Vertragswerk Sponsoring durch die Tabakindustrie in jeglicher Form erwähnt, die Politiker dürfen Vertretern der Tabaklobby keine Gelegenheit zur Einflussnahme auf gesundheitspolitische Maßnahmen geben, und sie dürfen keinerlei "Maßnahmen ergreifen, um die Interessen der Tabakindustrie zu fördern".
Trotz dieser vertraglichen Verpflichtung gibt es immer wieder Politiker, die heimlich oder sogar ganz ungeniert gegen die darin vereinbarten Regeln verstoßen. Ministerpräsident Rüttgers und Außenminister Guido Westerwelle sind zwei negative Beispiele hochrangiger Parteifunktionäre, die gegen die Tabakrahmenkonvention verstoßen. Dabei ist sich diese "politische Elite" nicht einmal zu schade, mit schmutzigen Tricks die eigene Kasse aufzufüllen. Beispielsweise durch gekaufte Gespräche mit Vertretern der Tabakindustrie und Stände auf Parteitagen, die angeblich vollkommen ordnungsgemäß für teures Geld an die Interessenvertreter der Nikotindrogenindustrie "vermietet" werden. Auch die Parteifeste aller großen Parteien werden großzügig von der Tabakindustrie gesponsert.
Damit ist die Trickkiste der Politiker jedoch noch lange nicht erschöpft. So nimmt beispielsweise die SPD mehr Geld über Anzeigen ein, als durch Parteispenden. Nach Angaben des Forum Rauchfrei hat die SPD-Parteizeitung "Vorwärts" alleine im Jahr 2009 über 115.000 Euro mit Anzeigen der Tabakindustrie eingenommen, neben Parteispenden im Jahr 2008 in der Höhe von 70.000 Euro. Anscheinend haben die Volksvertreter geglaubt, auf diesem Weg einen Großteil ihrer finanziellen Zuwendungen von der Tabakindustrie leichter verschleiern zu können, denn die Parteispenden müssen ab einer gewissen Höhe veröffentlicht werden.
Auch die anderen Parteien veröffentlichen illegalerweise Werbung der Tabakindustrie in ihren Parteiblättern. Beispielsweise die FDP mit ihrer Publikation "elde", die Junge Union in "Die Entscheidung", die CSU in ihrem Wochenblatt "Bayernkurier" und noch einmal die SPD in der "Berliner Republik". Von dieser Praxis ließen sich die Volksvertreter weder durch zahlreiche Beschwerden, noch durch etliche Gerichtsurteile abbringen. Auch die vertragliche Vereinbarung der Tabakkonvention sei an dieser Stelle noch einmal als wichtiger Grund zur Unterlassung derartiger Exzesse der Parteien erwähnt. Wie das Oberlandesgricht in Hamburg bei einer Entscheidung im August 2009 bekannt gegeben hatte, gilt das Tabakwerbeverbot für Printmedien sehr wohl auch für die Parteiblättchen unserer Volksvertreter, und deckt nicht nur Markenwerbung für Tabakprodukte ab, sondern auch jegliche Image-Kampagnen für die Tabakindustrie.
Dennoch setzt selbst nach dem letzten Gerichtsurteil bei unseren Politikern kein Umdenken ein, von Unrechtsbewusstsein ganz zu schreigen. Gegenüber der Fernsehsendung Zapp teilte der Chefredakteur des Bayernkurier Peter Hausmann lapidar mit: "Nach meiner heutigen Durchsicht ergibt sich "kein Dissens zur redaktionellen Linie des Bayernkurier".
Uwe-Karsten Heye, Chefredakteur der "Vorwärts", teilte auf Anfrage von Report Mainz mit "Tabakkonzern ist das Eine, gesellschaftliche Aufgaben zu unterstützen, ist das Andere. Darum geht es in diesen Anzeigen und nicht darum, ob Rauchen gesund ist oder nicht gesund." Heye behauptet weiter: "Also ich halte das für völlig unproblematisch. Jede Tageszeitung macht das, weil sie nämlich davon lebt und existiert". Der Vorwärts-Chefredakteur projiziert sein eigenes mangelndes Rechtsverständnis auf alle Zeitungen - dabei ist Zigarettenwerbung ebenso wie Imagewerbung für die Tabakindustrie in den Printmedien bereits seit 2006 verboten.
Die Tabakindustrie verheimlicht nicht einmal, dass Politiker für sie eine beliebte Zielgruppe sind. Gegenüber Zapp äußerte Ralf Leinweber, British American Tobacco: "Weil sie mitbestimmen, über die Existenzbestimmungen, über die Rahmenbedingungen unseres Industriezweiges. Also wenn es um Tabaksteuergesetzgebung geht, wenn es um neue Jugendschutzgesetzgebung oder um andere Dinge, Warnhinweise zum Beispiel auf Zigarettenschachteln, Zigarettenpackungen. Dann sind Politiker einfach wichtig, weil sie die Gesetze machen."
Bei kritischen und unbequemen Fragen über ihr Verhältnis zur Tabakindustrie spielen die höchsten Volksvertreter ganz plötzlich den Hanswurst. Das ARD-Magazin Report Mainz fragte auf dem Vorwärts-Sommerfest bei den Verantwortlichen nach: "Sie schalten da Anzeigen. Reemtsma. Ausgerechnet beim Vorwärts." Der zu diesem Zeitpunkt noch amtierende SPD-Parteivorsitzende Franz Müntefering antwortete: "Müssen sie jemand anderes fragen. Kann ich wirklich nichts zu sagen. Wer ist denn Reemtsma? Hahaha." Auf die Nachfrage "Aber Philipp Morris ist auch da, haben wir gesehen" gackerte Müntefering nur "Philipp ist auch ein schöner Name, hahaha. Und tschüß.".
Anmerkungen: Die Veröffentlichung der Parteispenden erfolgt zeitlich stark verzögert. Die letzte Veröffentlichung des Deutschen Bundestags erfolgte im Februar 2010, und beinhaltet die Zahlen für das Jahr 2008. Neuere Zahlen sind also leider noch nicht verfügbar.
Interessant wäre hier sicherlich eine juristische Überprüfung, ob die Parteien mit dieser Praxis möglicherweise die Verjährungsfristen für gewisse Verstöße aushebeln.