100. Geburtstag von Kurt A. Körber - Kein Grund zum Feiern
Vom NSDAP-Mitglied aus Opportunismus zum Wegbereiter der Massenproduktion von Tabakdrogen
[12.09.2009/pk]
Wenn ein Mensch Erfolg hat, und vor allem auch Geld, dann ist die Masse der Opportunisten auf seiner Seite. Man könnte schließlich eines Tages von der "Freundschaft" mit einem Reichen und Mächtigen profitieren. Betätigt sich dieser erfolgreiche Mensch gar als Philantrop, der die Menschheit mit einer Stiftung beglückt, dann fragt keiner danach, womit dieser Menschenfreund denn das Geld verdient hat, das er angeblich ganz uneigennützig unter seinen Mitmenschen verteilt.
Angesichts der vielen undifferenzierten Lobesreden über den verstorbenen Unternehmer und Stifter Kurt Adolf Körber, dem am vergangenen Montag in Hamburg anlässlich seines 100. Geburtstags ein Festakt gewidmet war, wird Kritik an der Person des Stifters und seiner Rolle in der Gesellschaft laut. Johannes Spatz, Sprecher des Forum Rauchfrei, äußert: "Es sei gespenstisch, dass der weltweit größte Produzent von Maschinen zur Herstellung von Zigaretten geehrt wird. Niemand ergreift das Wort darüber, dass die Körber-Stiftung von dem Geld lebt, das großteils durch den Verkauf von Zigaretten verdient wird. Die Beteiligung an Krankheit und Tod der Raucher werde bei der Geburtstagsfeier von Körber vollständig ausgeblendet."
Dazu schreibt das Forum Rauchfrei in einer Pressemeldung weiter: "Die Hamburger Ehrung von Körber passt dazu, dass seit Jahren höchste Vertreter von Staat, Regierung und Parlament Ehrenämter der Körber-Stiftung übernommen haben und so einer Organisation, die der Tabakindustrie sehr nahe steht, helfen, von dem tödlichen Charakter von Tabakprodukten abzulenken."
Als solche Träger von Ehrenämtern bei der Körber-Stiftung listet das Forum Rauchfrei folgende Persönlichkeiten auf:
Horst Köhler, Bundespräsident (Veranstalter des "Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten" der Körber-Stiftung)
Prof. Dr. Norbert Lammert, Präsident des Deutschen Bundestages (Schirmherr des Deutschen Studienpreises der Körber-Stiftung)
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung (Mitglied des Kuratoriums des Deutschen Studienpreises der Körber-Stiftung)
Marianne Birthler, Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (Mitglied im Stiftungsrat der Körber-Stiftung)
Ulla Burchardt, MdB (Mitglied im Kuratorium des Deutschen Studienpreises der Körber-Stiftung)
Das Forum Rauchfrei hat die Schirmherren und Kuratoriumsmitglieder der Körber-Stiftung aufgefordert, die Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation für den Umgang mit der Tabakindustrie einzuhalten. In der Leitlinie wird gefordert: "Die Vertragsparteien sollten Aktivitäten der Tabakindustrie, die als gesellschaftlich verantwortlich bezeichnet werden, weder gutheißen oder unterstützen, noch als Partner solcher Aktivitäten auftreten oder sich daran beteiligen." Nach der Leitlinie sind nicht nur die direkten Zigarettenproduzenten sonder auch der Tabakindustrie nahe stehende Organisationen betroffen. Die Leitlinien sind Ausführungen des Gesetzes des Tabakrahmenübereinkommens von 2004.
Das Forum Rauchfrei beschließt seine Meldung wie folgt: "Die Körber-Stiftung nimmt eine zentrale Position bei der Verflechtung von Politik und Tabakindustrie ein. Sie ist alleinige Besitzerin der Maschinenbaufirma Hauni, die als weltweit führender Hersteller von Maschinen zur Produktion von Zigaretten Teil der Tabakwirtschaft ist. Entsprechend wird Hauni innerhalb des Körber-Konzerns als 'Tabakbranche' eingeordnet. Der Umsatz von Hauni macht etwa 40 Prozent des Umsatzes der Körber Firma aus, so dass ein Großteil der von den Politikern als Wohltaten verteilten Gelder aus dem Geschäft mit dem Tod stammen."
Bildung auf die Interessen der Tabakindustrie zugeschnitten
Die Welt schrieb anlässlich des Erscheinens der Biografie von Kurt A. Körber, deren Autoren würden "klären, ohne zu verklären". Die Zeitung lässt sich dem Stifter gegenüber sogar zu einer sanften Kritik hinreißen, indem sie schreibt: "Nicht immer stieß Körber mit seinen Initiativen auf Gegenliebe. Seine größte bildungspolitische Offensive, der Bau der Fachhochschule für Produktions- und Verfahrenstechnik in Bergedorf, führte zu Dissonanzen mit der Stadt Hamburg. Körber wurde zur Einweihung 1972 nicht eingeladen." Bereits dieses Zitat (dem keine weiteren Erläuterungen folgen) zeigt jedoch, wie sehr Journalisten lügen können, indem sie einfach ein paar "Kleinigkeiten" auslassen.
Kritik an "Körbers Fachhochschule" kam insbesondere von Seiten der Studierenden. Der Allgemeine Studentenausschuss (AStA) der Hamburger Universität warf dem "besonders gewieften Interessenvertreter des Monopolkapitals" vor, seinen Zuschuss zum Bau der FH nur gegeben zu haben, damit dort "Ingenieure für Hauni ausgebildet" würden, "und die Hamburger zahlen es". Denn wie sich später bestätigte, kostete der Bau "den Hamburger Senat letztlich mehrere zehn Millionen DM".
Der zuvor erwähnten Biografie Körbers "Annäherungen an einen Stifter" lassen sich in diesem Zusammenhang weitere interessante Fakten entnehmen. Am 1. Juni 1956 gründete Körber in Hamburg-Bergedorf auf dem Gelände der Hauni das "Tabak Technikum Hamburg" (TTH). Schon im März 1957 wurde am TTH der erste "Fortbildungslehrgang für Mitarbeiter der tabakverarbeitenden Industrie" eingeführt. Und nur ein Jahr später nahmen die ersten Studierenden ihre Ingenieursausbildung in der Fachrichtung Verfahrenstechnik/Tabaktechnologie auf. Im Hinblick auf die internationale Ausrichtung der Tabakindustrie wurde Englisch als Pflichtfach eingeführt, Französisch und Spanisch als Wahlfächer angeboten.
Kurt A. Körber, der als "dominant, eitel und unbeherrscht" kritisiert wurde, feierte sich 1959 in seinem 50. Lebensjahr selbst, indem er die nach ihm benannte Stiftung gründete. Wie in seiner Biografie nachzulesen, wollte er mit dieser Stiftung "der mit dem Tabak Technikum Hamburg begonnen Bildungsförderung einen Rahmen geben...". Die ursprüngliche Satzung legte das Ziel fest: "Unmittelbarer und ausschließlicher Zweck der Stiftung ist die Errichtung und die Unterhaltung einer Ausbildungs- und Forschungsstätte für industrielle Arbeitsmethoden".
Aus dieser Stiftung leistete er unter anderem seinen Beitrag zur eingangs erwähnten Fachhochschule für Produktions- und Verfahrenstechnik. Als sich die Zinseinkünfte der Stiftung anhäuften, gründete Körber das "Lehr- und Forschungsinstitut für industrielle Koordinierung" (LFK), das von Professor Dörling in Personalunion mit dem Tabak Technikum Hamburg geleitet wurde. Als sich in den 70er Jahren abzeichnete, dass dessen Ziele in stärkerem Maß auch von den staatlichen Hochschulen und Fachhochschulen übernommen wurden, entschloss sich Körber zur Schließung des Instituts.
Ähnlich verlief die Entwicklung des Tabak Technikums, wie der Biografie zu entnehmen ist: "Satzungsgemäß endete die Ausbildung am TTH am 30. März 1973, als der Fachbereich 'Produktionstechnik, Verfahrenstechnik und Bioingenieurwesen' an der inzwischen neu erbauten Fachhochschule in Bergedorf Einzug hielt."
Mit geradezu genialer Voraussicht überführte Körber auf diesem Weg seine Bildungsziele in staatlich geförderte Institutionen, ohne sie jedoch selbst weiter finanzieren zu müssen. Man müsste ihn für diesen gelungenen Schachzug eigentlich bewundern, wäre da nicht der schale Beigeschmack, dass der Hauptzweck all dieser Aktivitäten die Förderung der industriellen Massenproduktion von Tabakdrogen ist. Diese Verbindung wird jedoch heute selbst von der Körber-Stiftung in der Biografie des Stifters geflissentlich verschwiegen.
Diese Biografie von Kurt A. Körber, wie auf der Webseite der Stiftung einzusehen, verschweigt systematisch den Zusammenhang seiner Unternehmungen mit der Tabakdroge. Man erhält doch tatsächlich den Eindruck, dass Körber nur einmal, in den Nachkriegsjahren 1946/47 bei seinem Neuanfang in Hamburg, etwas mit der Tabakindustrie zu tun hatte, indem er Zigarettenmaschinen reparierte und Handtabakschneider herstellte.
Kurt Adolf Körber, NSDAP-Mitglied und Kriegsprofiteur
Aber diese Biografie verschweigt noch weitaus mehr, was nicht so recht zu dem propagierten Image Körbers als menschenfreundlicher Stifter passt. Kurt A. Körber war Mitglied in der NSDAP, was von seiner Stiftung gerne unter den Teppich gekehrt wird. Der Stifter selbst stellte seine NSDAP-Mitgliedschaft nur als ein "förmliches Zugeständnis" dar, das keinerlei "Bekenntnis zum Nationalsozialismus" darstellen sollte.
Dieses so genannte "förmliche Zugeständnis" im Jahr 1940 geschah allerdings zu einer Zeit, in der die Nationalsozialisten die von ihnen propagierte Vernichtung des jüdischen Volkes bereits unverhüllt verfolgten - was spätestens seit der Reichspogromnacht 1938 (auch als Reichskristallnacht bezeichnet) offenkundig war. Kurt A. Körbers Eintritt in die Partei erfolgte, als diese bereits Europa mit Krieg überzogen hatte. Und für sie baute er mit größtem Eifer Waffen: "Ich wollte den Krieg gewinnen, dafür habe ich gearbeitet. Tag und Nacht."
Körber trat also nicht in die NSDAP ein, um sich zum Nationalsozialismus zu bekennen. Aber er hat es getan, um sich persönlich einen Vorteil zu verschaffen. Er ist diese NSDAP-Mitgliedschaft eingegangen, um seine eigene Karriere voranzutreiben. Dafür hat Körber billigend in Kauf genommen, diese menschenverachtende Partei durch seine Mitgliedschaft zu unterstützen.
Natürlich ist es Kurt A. Körber zu Gute zu halten, dass er sich nicht aktiv an den meisten Umtrieben des Nazi-Regimes beteiligt hatte. Dazu hatte er keine Zeit, und es interessierte ihn auch nicht. Ihn reizten nur seine eigenen Ziele - und für diese Ziele war er in die Partei eingetreten. Als NSDAP-Mitglied war er damit zum eigenen Vorteil einer von Millionen Mitläufern, ohne die das System überhaupt nicht überlebensfähig gewesen wäre. Letztendlich ließ sich seine Karriere hervorragend mit den Zielen des Nazi-Regimes vereinbaren, indem er mit größtem Eifer Waffen für ihren größenwahnsinnigen Krieg entwickelte.
Nach dem Fall des Dritten Reichs war es für die weitere Karriere des Opportunisten Körber unerlässlich, sich mit den neuen Machthabern zu arrangieren und von der NSDAP zu distanzieren. So sorgte er beizeiten dafür, dass ihm im April 1946 das Dresdner Polizeipräsidium in der sowjetisch besetzten Zone eine Bescheinigung ausstellte, er hätte sich trotz seiner Parteimitgliedschaft dennoch "antifaschistisch" engagiert.
Die Faszination von Mordsmaschinen ließ Kurt Adolf Körber offensichtlich auch nach dem Krieg nicht los. Er setzte ohne Skrupel seine Karriere fort, und half dem Tod auch in Friedenszeiten mit mörderischen Maschinen auf die Sprünge. Der brillante Geist gelangte früh zu der Erkenntnis, dass sich mit keinem anderen Produkt so viel Geld verdienen lässt, wie mit Drogen. Und er arrangierte sich, wie bereits zu Kriegszeiten mit seiner NSDAP-Anbiederung, mit den Mächtigen. Zum Beispiel mit Helmut Schmidt, der es bis zum Bundeskanzler brachte, und sich zu Körbers langjährigen Freunden zählte.
Nun ging Körber allerdings schon deutlich subtiler vor, er produzierte keine unmittelbaren Waffen mehr. Vielmehr sorgte er dafür, dass sich die Menschen nun zu Millionen mit Zigaretten aus seinen Maschinen vergiften können. Mit kaltblütiger Berechnung erwarb sich Körber in der Welt der Tabakdrogenproduktion seinen Reichtum, mit dem er den Menschenfreund und großzügigen Stifter spielen konnte. Sein pralles Bankkonto half ihm auch zeitlebens, dass man sowohl bei den dunklen Seiten seiner Biografie, als auch bei seiner zweifelhaften Erwerbsquelle beide Augen zudrückte.