Aktiv Rauchfrei
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Fotodokumentationen

Plumpe Ausflüchte statt rauchfreier Bahnhöfe

S-Bahn fordert mehr Geld für ineffizientes Personal

[02.05.2009/pk] "Glauben Sie uns, wir kennen jede Ausrede. Und keine greift." Diese Worte sind eigentlich als Warnung an die S-Bahn-Kunden gedacht, dass Schwarzfahren tabu ist. In der Tat ist die Bahn äußert effizient, wenn es um die Fahrscheinkontrollen geht. Das Transportunternehmen schreckt auch nicht davor zurück, ehrliche Kunden zu kriminalisieren, wenn sie einmal ihre Fahrkarte zu Hause vergessen haben oder im Tarifdschungel das falsche Ticket gelöst haben. Geradezu erbärmlich ist dagegen die Leistung des Bahnpersonals, wenn es um die Situation auf den als rauchfrei angepriesenen Bahnhöfen geht, wie das folgende Beispiel aus dem Bahn-Alltag zeigt.

Der Bahnhof München-Pasing, viertgrößte Bahnstation Bayerns, wurde von der Bahn als "rauchfreier Bahnhof" deklariert. Auf den beiden für die S-Bahn reservierten Bahnsteigen wurden sogar die Raucherbereiche aufgelöst, wenn auch nur wegen der aktuell stattfindenden umfangreichen Bauarbeiten. Dennoch versammelt sich wie zum Trotz tagtäglich ein Pulk von Rauchern, die offensichtlich den hier einmal existierenden Raucherbereich nicht vergessen können, und qualmt rücksichtslos die oft dicht gedrängt wartenden Fahrgäste ein. Aber auch der Rest des Bahnsteigs bleibt trotz der unübersehbaren Rauchverbotsschilder nicht von uneinsichtigen Nikotinsüchtigen verschont.

Nicht anders sieht die Situation am Pasinger Bahnhof am Morgen des 12. Dezember 2008 aus, als um etwa Viertel nach Acht zwei blauuniformierte Mitarbeiter der Bahn den Bahnsteig betreten. Seelenruhig schlendern sie an insgesamt drei rauchenden Fahrgästen vorbei, ohne auch nur im Geringsten an diesem Verstoß gegen die Hausordnung Anstoß zu nehmen. Die nur einige Meter weiter herumstehende Aufsichtsperson auf dem Bahnsteig ignoriert die verbotswidrig Qualmenden ebenso teilnahmslos. Die beiden DB-Mitarbeiter steigen etliche Minuten später in die nächste S-Bahn; am gleichen Einstieg zieht einer der Raucher noch gierig die letzten Züge an seiner Kippe, bevor er sie an Ort und Stelle zu Boden wirft. Auch diese absichtlich herbei geführte Verschmutzung des Bahnhofs kann die beiden Uniformierten nicht zu einer Reaktion verleiten.

Als die Türen geschlossen sind kommt plötzlich Leben in die Beiden, sie zücken ihre Ausweise und rufen "Fahrscheinkontrolle" in die Menge. Der Jüngere der zeigt durch einige Fragen an seine bereits ergraute Kollegin, dass er sich offensichtlich noch in Ausbildung befindet. Das gibt einen weiteren Minuspunkt für seine Ausbilderin, weil sie ihm nicht beibringt, in flagranti erwischte Raucher sofort zu verwarnen.

Daraufhin angesprochen reagiert die DB-Mitarbeiterin, die sich als Kontrollschaffnerin (KS) 2373 ausweist, unwirsch und verständnislos. An dieser Stelle sei noch die kurze Bemerkung erlaubt, dass es äußerst seltsam anmutet, dass sich ausgerechnet das Sicherheitspersonal der Bahn wie eine Mafiaorganisation hinter undurchschaubaren Nummern verbirgt; selbst die Polizei, die mit "echten Verbrechern" zu tun hat, weist ordentlich Namen und Dienststelle ihrer Beamten auf den Dienstausweisen aus. Und wie die Erfahrung bei der Bahn zeigt, erhält man auf eine Beschwerde über das Verhalten des DB-Personals schon einmal die Antwort, der betreffende Mitarbeiter sei angeblich nicht zu ermitteln.

In der weiteren Diskussion lässt Nummer 2373 keine Bereitschaft erkennen, auch nur die geringste Verantwortung zur Durchsetzung des Rauchverbots übernehmen zu wollen. Statt dessen versucht sie, sich mit mehr oder weniger intelligenten Ausreden aus der Affäre zu ziehen. Besonders kurios wirkt ihre Äußerung, sie hätte schließlich keinen Block um das Rauchverbot zu ahnden und könne deshalb also nichts gegen Verstöße unternehmen. Auf die Frage, warum sie denn einen speziellen Block braucht um die rücksichtslosen Qualmer auf die Hausordnung hinzuweisen, folgen nur weitere kreative Ausflüchte.

Die Kontrollschaffnerin erklärt auf Nachfrage, dass sie selbstverständlich Verstöße gegen die Hausordnung ahnden könne. Die Entgegnung, dass das Rauchverbot ebenso wie andere Verunreinigungen und Belästigungen von der Hausordnung abgedeckt seien, spornt Frau Namenlos nur zu neuen Ausreden an, eine sachbezogene Antwort bleibt weiterhin aus. Ganz offensichtlich versucht KS 2373, ihre Verinnerlichung des Bahn-Mottos "Glauben Sie uns, wir kennen jede Ausrede" zu demonstrieren. Immerhin erklärt sich die DB-Mitarbeiterin nach einigen Überzeugungsversuchen bereit, die Kundenbeschwerde wegen des Rauchverbots an die Verantwortlichen weiter zu geben.

Als KS 2373 schließlich weiterzieht, schließt sie ihre wortreichen aber weitgehend inhaltsleeren Ausführungen mit dem pampigen Hinweis, da man schließlich ihre KS-Nummer habe, könne man ja nachfragen, ob sie die Kundenbeschwerde wegen des Rauchverbots wie versprochen weitergegeben hätte. Im Nachhinein wirken diese Worte wie ein Hohn, denn die am nächsten Tag abgeschickte Nachfrage per Brief an die S-Bahn wird nie beantwortet. Weitere Nachfragen per E-Mail an den so genannten "Service-Dialog" der Bahn werden ebenso ignoriert. Erst ein erneuter Brief, diesmal an die Geschäftsleitung des Münchner Verkehrs- und Tarifverbundes (MVV), kann schließlich nach langer Wartezeit der Bahn doch noch eine Reaktion entlocken.

Der Anfang des Antwortbriefs birgt jedoch erst einmal eine Enttäuschung. Die "DB Regio AG/Service-Dialog S-Bahn München" erklärt sich ebenfalls für nicht zuständig. Immerhin wird zugesichert, die Angelegenheit an die "DB Station & Service" weiterzuleiten. Außerdem folgt noch eine Entschuldigung im Namen der S-Bahn München für das nicht kundenorientierte Verhalten der namentlich bekannten Mitarbeiterin (alias KS 2373).

Schon einen Tag später trifft auch tatsächlich eine Antwort auf das weiter geleitete Schreiben ein. Aber auch hier eine herbe Enttäuschung: es handelt sich um einen fast wortgleichen Standardbrief, wie ihn auch andere Beschwerdeführer in Sachen Rauchbelästigung von der Bahn erhalten (sie Nichtraucher-Info Nr. 74 - II/09). Abgesehen davon, dass der Antwortbrief sich immerhin dem Thema Rauchverbot am Bahnhof widmet, ist keinerlei Bezug zur Kundenbeschwerde zu erkennen. Dieses Verhalten der Bahn ist geradezu beleidigend.

Setzt man dieses undifferenziert in die Welt verschickte Schreiben der Bahn jedoch in Bezug zu den zuvor ausführlich dargelegten Kritikpunkten, so erweist sich diese Ignoranz als kapitales Eigentor des Verkehrsbetriebs. So schreibt die Bahn beispielsweise: "Um das Rauchverbot an unseren 147 Bahnhöfen durch Präsenz und Aktivitäten unserer DB-Sicherheit (Bahnschutz) konsequent durchsetzen zu können, benötigen wir ein Vielfaches der zurzeit eingesetzten Sicherheitskräfte. Diese fordern wir auch Jahr für Jahr an, bekommen sie aber aus Budgetgründen nie genehmigt."

Eine Beschwerde über arbeitsscheue und arrogante DB-Mitarbeiter mit Null-Bock-Mentalität (wenigstens wenn es um das Rauchverbot geht) mit der Forderung nach mehr Personal und Aufstockung der finanziellen Mittel zu beantworten, ist wirklich ein interessanter Ansatz. Die Bahn könnte den Arbeitsunwilligen unter Ihren Mitarbeitern etwas "Feuer unterm Hintern" machen, damit sie ihren Job ordentlich verrichten. Dadurch würden die bestehenden Mängel deutlich verringert, und ohne Mehrkosten die Kundenzufriedenheit erheblich erhöht. Aber offensichtlich hat die Bahn kein wirkliches Interesse an zufriedenen Kunden. Das Problem wird nur als Aufhänger genutzt, um von der Politik mehr Geld zu fordern, und für den geplanten Börsengang die katastrophale Bilanz etwas aufzupolieren.

Aber selbst ohne die unfreiwillige Komik, die in der deplatzierten Antwort der Bahn der einzige Grund zur Erheiterung ist, muss diese Ausrede als unzutreffend zurück gewiesen werden. Die Hausordnung der Bahn regelt rechtsverbindlich, "nicht gestattet ist Wegwerfen von Abfällen, Zigarettenkippen und Kaugummis außerhalb der vor gesehenen Behälter sowie in den Gleisbereichen. (...) Für absichtlich herbeigeführte Verschmutzungen stellen wir für die entstandenen Reinigungskosten ein Bearbeitungsentgelt (mindestens 20 EUR) in Rechnung." Wie die Foto-Dokumentation "Rauchfreie Bahnhöfe" belegt, liegen also Tausende von Euros in Form von weggeworfenen Kippen auf dem Bahnsteig und den Gleisen. Die oben erwähnte Beschwerde beinhaltet unter anderem, dass rücksichtslose Raucher inzwischen schon ihre Kippen vor den Augen des DB-Personals fallen lassen, ohne dafür überhaupt kritisiert, geschweige denn zur Verantwortung gezogen zu werden.

Die Bahn schreibt weiterhin: "So bleibt uns nur die Möglichkeit, temporäre Schwerpunkte zu setzen und ignorante Raucher mit Mitteln des Hausrechts (Ermahnung, Bahnhofsverweis, Bahnhofsverbot) auf deren Fehlverhalten hinzuweisen, ..." Hierzu ist nur anzumerken, dass sowohl die genannte Beschwerde als auch Tausende auf den so genannten rauchfreien Bahnhöfen (trotz häufiger Reinigung) herum liegende Kippen der Beweis dafür sind, dass die Bahn diese Möglichkeit einfach nicht nutzt.

Noch ein letzter Auszug aus dem Schreiben der Bahn sei hier erwähnt: "Hilfreich für diese Entwicklung wäre natürlich auch, wenn die Polizei das Bundesnichtraucherschutzgesetz (BNichtr SchG - in Kraft seit 01.09.2007; es verbietet u.a. Rauchen in geschlossenen Räumen an Bahnhöfen) und das Landesnichtraucherschutzgesetz (in Kraft seit 01.01.2008; es verbietet u.a. das Rauchen in Gastronomiebetrieben - auch an Bahnhöfen) konsequent vollziehen würde. Die Polizei könnte im Gegensatz zu unserem Bahnschutz Bußgelder verhängen."

Den mangelhaften Nichtraucherschutz am Bahnhof nun auch noch auf die angebliche Faulheit der Polizei abzuschieben, ist völlig absurd, wie die zuvor erwähnte Beschwerde verdeutlicht. Ob nun die Polizei ein Bußgeld verhängt, oder die Bahn ein Bearbeitungsentgelt wegen Verstößen gegen die Hausordnung einfordert - die abschreckende Wirkung bei rücksichtslosen Rauchern wäre in beiden Fällen die gleiche. Auf eine erneute Nachfrage bei der Bahn, ob sie mit der Polizei wegen deren mangelhaften Engagements im Gespräch sei, verweigert der Verkehrsbetrieb unfreundlich jegliche Auskunft - offensichtlich besteht hier kein ernsthaftes Handlungsinteresse.

Ebenfalls unbeantwortet bleibt die Frage, warum die Bahn trotz ihres unzulänglichen Budgets darauf verzichtet, die Reinigungskosten und Ordnungsgelder einzuziehen. Die Bahn kann nicht für sich in Anspruch nehmen, mit der Abrechnung überfordert zu sein. Schließlich ist das Abkassieren des so genannten "erhöhten Beförderungsentgelts" perfekt durchorganisiert, so dass nicht einmal neue Strukturen oder organisatorische Maßnahmen erforderlich wären.

Ohnehin sind die Mitarbeiter der Bahn beispielsweise bei Fahrscheinkontrollen nicht gerade zimperlich, wie die bekannt gewordenen Skandale der vergangenen Monate demonstrieren. Mehrfach wurden Kinder, die ihre Fahrkarte zu Hause vergessen hatten, einfach aus dem Zug geworfen. In einem Fall sogar trotz herein brechender Dunkelheit, in einem anderen trotz der ausdrücklichen Bereitschaft anwesender Fahrgäste, ein neues Ticket zu bezahlen. Bei einem weiteren Vorfall mussten drei Kinder im Alter von neun bis zwölf Jahren ohne ihre Mutter weiterfahren, weil der Schaffner diese zum Aussteigen gezwungen hatte, um ihre Fahrkarte zu entwerten. Entsprechend kann man das selbstmitleidvolle Gejammere der Bahn wegen angeblich nicht zu bewältigender Probleme bei der Durchsetzung des Rauchverbots nur mit fassungslosem Kopfschütteln quittieren.

"Glauben Sie uns, wir kennen jede Ausrede." Aber die Bahn kennt sie nicht nur, sondern wählt anscheinend auch noch die dümmsten für ihre Standardbrief-Textbausteine aus, um ihre Kunden damit wie am Fließband abzuspeisen. Konstruktive und selbst kostenneutrale Vorschläge zur Durchsetzung des Rauchverbots werden selbst nach der Einführung eines gesetzlichen Rauchverbots ignoriert und abgewimmelt.


Quellen und weitere Informationen

Beschwerdeautomat
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Beschwerde über Missachtung des Rauchverbots auf Bahnhöfen
Beschwerdebrief wegen verqualmter S-Bahnhöfe (1. Variante)
Beschwerdebrief wegen verqualmter S-Bahnhöfe (2. Variante)
Beschwerde über Aschenbecher auf den "rauchfreien" Bahnhöfen
Dienstaufsichtsbeschwerde wegen Untätigkeit von BSG-Mitarbeitern
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