"Liberty Award" vereinnahmt ARD-Korrespondenten Thomas Roth und Stephan Stuchlik für Reemtsma
[04.04.2009/pk]
Die Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH nutzte den "Liberty Award" in diesem Jahr zum dritten Male, um Journalisten mittels Preisverleihung zu ködern. Der Tabakdrogenhersteller bedient sich dieses Marketing-Instruments, um sich als kulturell und sozial engagiert zu präsentieren, und damit das negative Image der Tabakindustrie in der Gesellschaft aufzupolieren. Mehr denn je ist die Tabakindustrie auf eine gute oder wenigstens zurückhaltende Presse angewiesen. Wer könnte diese Aufgabe besser im Sinne der Tabakindustrie erfüllen, als scheinbar freie und unabhängige Journalisten?
Reemtsma schreibt in einer Pressemitteilung über die für den Liberty Award nominierten Journalisten: "Sie lassen sich in ihrer Arbeit nicht behindern". Diese Hartnäckigkeit passt gut zur Strategie der Tabakindustrie. Denn die Tabakdrogenproduzenten lassen sich von Studien über Tabaktote, Herz-/Kreislauferkrankungen und Krebs durch Rauchen, radioaktive Substanzen im Tabak usw. nicht beirren, und verkaufen unverdrossen ihre tödlichen Drogen weiter. Wer könnte bei der Vertuschung dieser abscheulichen Nebenwirkungen der Nikotindroge nützlicher sein, als eifrige Journalisten?
Die Preisträger dieses Jahres sind die ARD-Korrespondenten Thomas Roth und Stephan Stuchlik. Ausgewählt wurden sie für ihre Berichterstattung über den Krieg in Georgien. "Im Mittelpunkt der Berichterstattung von Roth und Stuchlik stand das Leid der Menschen", so die Berliner Morgenpost. Das Leid der Menschen ist der Tabakindustrie nicht fremd, ist doch gerade sie für einen langsamen und qualvollen Tod von Millionen verführten Rauchern auf der ganzen Welt verantwortlich. Wer könnte die Tabakdrogenmaschinerie besser bei der Verharmlosung dieses Leids unterstützen als Journalisten, die menschliche Tragödien in allen Facetten kennengelernt haben?
Reemtsma schreibt in einer Pressemitteilung zum Liberty Award: "Ausgezeichnet werden Journalisten, die sich durch ihre Arbeit um die Freiheit der Presse, der Gesellschaft und damit um die Freiheit eines jeden Einzelnen verdient machen."
Der Begriff der Freiheit wird von der Tabaklobby besonders gerne missbraucht, um sich marketingwirksam in Szene zu setzen. Dabei nimmt sich die Tabakindustrie die Freiheit heraus, andere Menschen um Gesundheit und Leben zu bringen. Andererseits treibt die Abhängigkeit von der Tabakdroge gerade die Kunden der Tabakindustrie in Unfreiheit. Sechs Millionen deutsche Raucher, die schon vergeblich versucht haben sich vom Glimmstängel loszureißen, sprechen eine deutliche Sprache.
Die Vereinnahmung des Freiheitsbegriffs für Tabaklobbyismus ist im Übrigen keine neue Erfindung des Reemtsma-Konzerns. LobbyControl, eine Initiative für Transparenz und Demokratie, erläutert: "In angelsächsischen Ländern hat die Tabakindustrie sogar gezielt Organisationen unterstützt oder mit aufgebaut, die die Freiheit im Namen führten und gegen Rauchverbote und Verbote allgemein Stimmung machten. Z.B. das Center for Consumer Freedom (USA, siehe SourceWatch) oder die Freedom Organisation for the Right to Enjoy Smoking Tobacco (FOREST) in England. Sie bekommt laut der Action on Smoking and Health über 90% ihrer Finanzmittel von der Tabakindustrie."
Den "Liberty Award" des Reemtsma-Konzerns mit dem Begriff Freiheit in Verbindung zu setzen ist angesichts der Tatsachen reichlich absurd. Denn unabhängige oder gar kritische Journalisten sind bei dieser Preisverleihung generell nicht erwünscht, zugelassen werden nur geladene Gäste. Filmaufnahmen sind ebenfalls tabu. Reemtsma hat also alle wichtigen Kommunikationskanäle unter Kontrolle. Sieht so eine Initiative für Pressefreiheit aus?
Warum berichtet denn die angeblich unabhängige Presse nicht über die Protestveranstaltung gegen diese Vereinnahmung der Presse durch die Tabakindustrie? Pressefreiheit? Oder doch nur die Freiheit der Presse, nichts zu berichten, was dem angeblich so edlen und selbstlosen Spender nicht genehm sein könnte?
Somit wird klar, dass sich ein Korrespondent durch die Annahme dieser zweifelhafte Ehrung zum Komplizen der Tabakindustrie macht. Kein unabhängiger und freier Journalist, und erst recht kein ehrbarer, würde auf den Gedanken kommen einen solchen Preis anzunehmen, der die Pressefreiheit in den Schmutz zieht und für Firmeninteressen missbraucht.
Dennoch scheinen ein paar Schreiberlinge in ihrer Naivität allen Ernstes zu glauben, dass sie mit der Entgegennahme des "Liberty Award" etwas gewonnen haben. Dabei sind sie - und mit ihnen die Pressefreiheit - die großen Verlierer. Denn der "Liberty Award" ist der Preis der Freiheit, den die Journalisten bezahlen, wenn sie sich für die Lobbyinteressen der Tabakindustrie prostituieren.
Wer Geld annimmt, begibt sich damit in eine Abhängigkeit. Gerade in unserer heutigen materialistisch geprägten Welt gibt es kein Geld ohne entsprechende Gegenleistung. Diese Abhängigkeit entsteht ganz subtil - auch ohne vertragliche Vereinbarungen über Gegenleistungen.
Aus diesem Grund steht beispielsweise Beamtenbestechung unter Strafe. Wer glaubt, davon wären nur Wirtschaftsbosse mit einem dicken Bankkonto betroffen, der irrt gewaltig. Einem besonders freundlichen Beamten zehn Euro zuzuschieben ist bereits versuchte Beamtenbestechung. Nimmt der Beamte diese gut gemeinte und arglose Geste an, ohne vorher die schriftliche Zustimmung seines obersten Dienstvorgesetzten einzuholen, ist die Straftat schon passiert.
Wie der einfache Beamte mit einer derartigen unbedachten Kleinigkeit schnell seinen Job los ist, so ergeht es dem städtischen Müllmann nicht besser. Nimmt er zu Weihnachten einer Zehner an, der nichts als ein Trinkgeld für seine zuverlässigen Dienste bei Wind und Wetter darstellt, so riskiert er ebenfalls seinen Job.
Warum bilden sich also einige Journalisten ein, dass ausgerechnet sie von der Tabakindustrie 15.000 Euro (das Preisgeld des "Liberty Award") kassieren können, ohne sich auch nur im Geringsten die Finger damit zu beschmutzen?
Anmerkungen: Bei weitem nicht alle Journalisten sind so korrupt wie die Schreiberlinge in der Reemtsma-Gefolgschaft. Es gibt noch ehrbare Vertreter dieser Zunft, wie Hans Leyendecker von der Süddeutschen Zeitung, den sich Reemtsma mit dem Liberty Award nicht kaufen konnte: "Als die Offerte kam, war mir klar: Ich lasse mich da nicht nominieren. Überhaupt muss ein Journalist wissen, wohin er geht, von wem er sich einladen lässt, von wem er sich auch bezahlen lässt. Das ist egal, ob es ein Preis ist, eine Rede ist, eine Moderation ist. Ein Journalist lässt sich nicht kaufen, ein Journalist geht nicht zu solchen Veranstaltungen."