Mangelhafter Schutz vor Zwangsmitrauchen am Arbeitsplatz
Stiftung Warentest zeigt Lücken mangelhafter Gesetzgebung auf
[18.10.2008/pk]
"In der Kneipe sind Nichtraucher oft besser vor Rauch geschützt als im Büro." Zu diesem vernichtenden Urteil gelangte unlängst die Stiftung Warentest, und nannte auch den Grund dafür: "Die Gesetze garantieren zwar einen 'rauchfreien Arbeitsplatz'. Was darunter zu verstehen ist, lassen sie aber offen." Das heißt, dass trotz gesetzlicher Regelung die wichtigste Grundlage fehlt, dieses Recht in der Praxis durchzusetzen.
Auf der Webseite test.de wird die Rechtslage erklärt, Tipps für den Kampf um einen rauchfreien Arbeitsplatz ergänzen das Informationsangebot. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden (BAG, Az. 9 AZR 84/97), dass grundsätzlich jeder Arbeitnehmer Anspruch auf einen rauchfreien Arbeitsplatz hat. Dieses Recht leitet sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ab. Weiterhin gilt die Arbeitsstättenverordnung, die ein "allgemeines oder zumindest in einzelnen Bereichen des Betriebs gültiges Rauchverbot" vorschreibt, so die Stiftung Warentest. Nicht zuletzt hat auch der Arbeitgeber eine Fürsorge- und Schutzpflicht gegenüber seinen Mitarbeitern. Daraus ergibt sich unter anderem die Pflicht, "die Arbeitsräume gesundheitsverträglich zu gestalten und seine Angestellten vor Gesundheitsgefahren zu schützen".
Bei der Auslegung der konkreten Bedeutung dieser Aussagen beginnt jedoch bereits der juristische Kleinkrieg. Das Problem fängt schon bei der Definition des Begriffs "Arbeitsplatz" an. Dazu die Stiftung Warentest: "Juristen bezeichnen den Arbeitsplatz als den Bereich, den das Unternehmen dem Mitarbeiter als Arbeitsort zur Verfügung stellt und an dem er sich regelmäßig aufhält, um seine Arbeit zu erledigen. Auf gut Deutsch: Es geht um den Standort des Schreibtisches oder der Maschine sowie die unmittelbare Umgebung." Was gilt jedoch in der Gastronomie, im Taxi, LKW?
Auch der Begriff "rauchfrei" ist nicht klar abgegrenzt, sondern muss laut Stiftung Warentest "im Einzelfall" geklärt werden. Auf der einen Seite gibt es Aussagen wie "klar, einen Raucher im selben Büro muss ein Nichtraucher nicht akzeptieren". Aber auch gegenteilige Auslegungen sind zu lesen, wie Rechtsanwalt Jobst-Hubertus Bauer aus Stuttgart erläutert: "Greift der Chef etwa in seinem Büro zum Glimmstängel, müsse die Sekretärin damit in der Regel leben".
Schlecht sieht die Situation insbesondere für die Nachbarn von Kettenrauchern oder des betrieblichen Raucherzimmers aus. Dies wird bereits als ordnungsgemäße Ausslegung des Nichtraucherschutzes interpretiert, "solange dort die Tür geschlossen bleibt". Aber der Rauch verbreitet sich bereits durch kleinste Ritzen oder Schlüssellöcher in Windeseile, und ein reges Kommen und Gehen verteilt natürlich auch die Luft des Raucherzimmers in der benachbarten Umgebung. Wo jedoch sonst strenge Grenzwerte bis ins Kleinste geregelt sind, da schreibt der Gesetzgeber bei der schier unerschöpflichen Feinstaubquelle Tabakrauch nicht einmal Prüfungen zum Schutz vor diesem Luftschadstoffgemisch vor.
Ein gewisser Konsens scheint wenigstens bei Gemeinschaftsräumen wie Kaffeeküche und Kopierraum zu existieren, dass dort nicht geraucht werden dürfe, so Martina Perreng, Referatsleiterin Individualarbeitsrecht beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Aber bereits auf dem Flur treten die nächsten Streitigkeiten auf. Hierzu erläutert Christian Willert, Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Berliner Kanzlei Härting Rechtsanwälte: "Handelt es sich um den einzigen und häufig genutzten Weg zum Kopierer oder in die Kantine, gehört er zum Arbeitsplatz. Anders dagegen, wenn es der Weg ins Büro des Vorgesetzten ist, den der Arbeitnehmer nur ab und zu geht."
Wie diese Beispiele bereits andeuten, bleibt also ein Arbeitnehmer trotz gesetzlicher Regelungen weitgehend der Willkür rauchender Chefs ausgesetzt. So sieht effektiv der gesetzliche Nichtraucherschutz aus, der von der Tabkindustrie befürwortet und propagiert wird. Im Prinzip hat zwar jeder ein Recht auf einen rauchfreien Arbeitsplatz. In der Praxis wird genau dieses Ziel durch einen Wirrwarr von gesetzlichen Regelungen nahezu unerreichbar. Die reißerisch angekündigten "hohen Bußgelder für Raucher" sind also reine Augenwischerei.
Damit demonstriert das Thema Rauchverbot wie der Rechtsstaat ad absurdum geführt wird. Der drogenfreie Normalbürger hat zwar gesetzlich verankerte Rechte, die aber praktisch wertlos sind. Eine Situation, die nur durch die Komplizenschaft korrupter Politiker im Schlepptau der Tabaklobby überhaupt erst ermöglicht wird. So verwundert es auch nicht, dass vom Passivrauch geplagte Arbeitnehmer nicht etwa auf eine wirksame Unterstützung des Staates hoffen können, sondern im Zweifelsfall unter Mobbinggefahr, drohendem Arbeitsplatzverlust und weiteren Schikanen ihren Arbeitgeber selbst auf Abhilfe verklagen müssen. Und selbst eine vorhandene Rechtschutzversicherung ist keine Garantie, die immensen Kosten dafür ersetzt zu bekommen.
Im Vergleich zu Deutschland sind die Verhältnisse in Irland paradiesisch. Es gibt ein Arbeitsschutzgesetz, dass klipp und klar regelt, dass das Rauchen am Arbeitsplatz verboten ist. Es gibt nicht wie in Deutschland haufenweise Ausnahmen davon, egal ob im Büro, im Pub, Taxi oder LKW, jeder Arbeitnehmer ist gleichermaßen vor gesundheitsschädlichem Tabakqualm geschützt. Die klare Regelung vermeidet unzählige gerichtliche Auseinandersetzungen, weil die gesetzliche Regelung so einfach und klar ist. Und das Beste daran ist, dass der Staat die Verantwortung für rauchfreie Arbeitsplätze übernimmt. Anders als in Deutschland muss sich also kein Arbeitnehmer sein Recht in einem möglicherweise jahrelangen zermürbenden Rechtsstreit erkämpfen, der auch noch den Arbeitsalltag - zusätzlich zum giftigen Tabakgestank - zur Hölle macht.
Verantwortlich für die Misere in Deutschland sind kleinkarierte Politiker. Politiker wie Wolfgang Schäuble, Brigitte Zypries oder Detlef Parr, die nicht den Charakter besitzen ihre Verbindungen zur Tabakindustrie/-lobby offen zuzugegeben, aber den Normalbürger hinterrücks um sein verfassungsgemäßes Recht der körperlichen Unversehrtheit betrügen. Diese Politiker, deren Parteien sich mit Bezeichnungen wie "Sozial" (SPD) oder "Christlich" (CDU/CSU) schmücken, handeln wahrhaft unsozial und unchristlich, weil sie wissentlich die Gefahren des Tabakkonsums leugnen und ignorieren. Nicht zuletzt müssen solche Politiker als Eidbrecher bezeichnet werden, denn mit der bewussten Duldung des Tabakmordens handeln sie dem Amtseid zuwider, "dem Wohle des Volkes zu dienen".