Eine "Mordsindustrie" schwadroniert über ethische Werte
[26.06.2008/pk]
Der vor einigen Monaten neu gegründete DZV (Deutscher Zigarettenverband) wirbt als Lobbyverband der Tabakindustrie mit dem Slogan "Genuss braucht Verantwortung". Bereits auf den ersten Blick wirkt dieser Werbespruch reichlich absurd, zumindest aus dem Munde der Tabaklobby. Denn gerade die Tabakindustrie ist eine "Mordsindustrie", die nicht nur weltweit jährlich Millionen Menschen um Gesundheit und Leben bringt, sondern auch noch als einer der größten Umweltsünder unseres Planeten gilt.
Eine anschauliche Demonstration, dass für die Tabakindustrie der Begriff der Verantwortung nur eine inhaltsleere Marketingphrase darstellt, gab DZV-Geschäftsführerin Marianne Tritz bei einer Veranstaltung zum Weltnichtrauchertag am 31. Mai 2008. Während sie die Ausführungen über die Todesopfer der Tabakprodukte noch tapfer grinsend ignorierte, fiel ihr das Lächeln aus dem Gesicht, als ihr 10.000 stinkenden Kippen vor die Füße gekippt wurden, die auf Berliner Spielplätzen gesammelt worden waren. Über Minuten hinweg war sie vollkommen sprachlos und reagierte auf die Aufforderung, die Verantwortung für die Kippen zu übernehmen, überhaupt nicht. Als sie wieder die Fassung gewonnen hatte, meinte sie, es sei "unverantwortlich", diese Kippen auf den Bürgersteig zu werfen. Ein Herr an ihrer Seite äußerte trefflich, diese Kippen sollten als Insektizide in ein Rosenbeet entsorgt werden. In der kleinkarierten Art der Tabakindustrie behauptete ein anderer Herr im Gefolge von Frau Tritz, die Kippen würden nicht von Kinderspielplätzen stammen, da er keinen Sand sehe.
Marianne Tritz hat schon zu Beginn ihrer zweifelhaften Karriere als Geschäftsführerin des Deutschen Zigarettenverbandes keinen Hehl daraus gemacht, dass sie sich nichts aus den Folgen des Tabakkonsums macht. Über die mehr als hunderttausend Todesopfer des Tabakkonsums äußerte die frisch gebackene DZV-Geschäftsführerin gegenüber der Süddeutschen Zeitung: "Über die Genauigkeit der Zahlen lässt sich vortrefflich streiten." Im Klartext bedeutet das, die Zigarettenindustrie schert sich auch unter Cheflobbyistin Marianne Tritz einen Dreck um die Todesopfer, die sie mit ihrem tödlichen Produkt auf dem Gewissen hat. Die Tabakmultis tun nichts, um diese Opferzahlen zu verringern, obwohl sie als mittelbarer Verursacher die meisten Chancen dazu hätten. Statt der Produkthaftung auch für Tabakwaren nachzukommen, werden diese "Kollateralschäden" der Tabakindustrie durch Verbalakrobatik schöngeredet.
Der DZV ist auch keineswegs ein Vertreter für die Interessen der Raucher. Mit derartigen Tricks versuchen die Verbandsfunktionäre der Tabakdrogenindustrie nur, sich bei ihren Opfern und Melkkühen anzubiedern. Der Deutsche Zigarettenverband vertritt ausschließlich eine mörderische Industrie und ihr gewissenloses Gewinnstreben. Was die Tabaklobby mit ihrem Slogan "Verantwortung für den Genuss" bezwecken möchte ist offensichtlich. Es geht nur darum, die Verantwortung von sich auf die Raucher abzuschieben. Dieser Slogan bedeutet einfach, "wer am Rauchen krepiert ist selbst schuld", egal wer die Nikotindroge herstellt, vertreibt und sich eine goldene Nase damit verdient.
Wer übernimmt denn die Verantwortung für die Folgen des Tabakkonsums, und schützt die Raucher vor dessen hässlichen Folgen? Beispielsweise hat in Deutschland schon jeder dritte Raucher erfolglos versucht, sich das Rauchen abzugewöhnen. Selbst während der Schwangerschaft schaffen es viele werdende Mütter nicht, die Sucht abzuschütteln. Warum hilft ihnen die Tabakindustrie dabei nicht? Es ist erwiesen, dass Ammoniakverbindungen im Tabak die Suchtwirkung des Nikotins erhöhen. Warum verzichtet die Tabakindustrie nicht auf die Verwendung dieser Zusatzstoffe? Das wäre ein sinnvoller Beitrag zur Übernahme der Verantwortung für die Gesundheit des Rauchers und seiner Familie.
Die Tabakindustrie wird nicht müde zu behaupten, sie würde angeblich "Verantwortung tragen". Aber wo bleibt diese Verantwortung, wenn sie nicht gesetzlich erzwungen und durchgesetzt wird? Die so genannte "freiwillige Selbstverpflichtung" betreffend Tabakwerbung und Zigarettenautomaten in Schulnähe wird von der Tabakbranche am laufenden Band verletzt. Kinder und minderjährige Jugendliche erhalten vom Handel problemlos Tabakwaren, obwohl der Jugendschutz dies verbietet. Fast alle Zigaretten enthalten Menthol und weitere gezielt beigemischte Zusatzstoffe, die insbesondere bei Kindern die natürlichen Abwehrmechanismen des Körpers außer Gefecht setzen. Ohne diesen Chemiecocktail im Tabak würden die meisten der probierfreudigen Jugendlichen bereits bei der ersten Kippe eine solche Übelkeit und Hustenreiz bis zum Erbrechen empfinden, dass sie nie wieder einen Glimmstängel anfassen würden.
Abschließend sei hier nur noch ein weiteres Beispiel genannt, die Auflistung der Vielzahl ungenutzter Möglichkeiten zur Übernahme von Verantwortung würde den Rahmen an dieser Stelle sprengen. Fast täglich berichten die Zeitungen von Bränden in Wohnungen, Altersheimen oder Behinderteneinrichtungen, bei denen Rentner zu Tode kommen, Behinderte im eigenen Bett verbrennen oder Kinder nachts im Schlaf ersticken. Häufig nennen diese Berichte als Ursache, dass jemand mit einer brennenden Zigarette eingeschlafen war. Es sind nicht nur Arme, Alkoholabhängige und Pflegebedürftige, die dieses grausige Schicksal erleiden. So starb die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann an den Folgen eines Wohnungsbrandes, als sie bereits vom Medikamentenmissbrauch geschwächt in ihrer Wohnung in Rom mit einer glimmenden Zigarette eingeschlafen war.
Sehr oft sind brennende Zigaretten die Ursache, wenn Menschen bei Bränden ums Leben kommen. Nach Angaben des US-Verbandes für Brandschutz waren Tabakprodukte im Jahr 2000 für mehr als 167.000 Brände verantwortlich. Dabei ließen 807 Menschen ihr Leben, etwa 2.200 wurden dabei verletzt, und der materielle Schaden belief sich auf etwa fünf Milliarden US-Dollar. In Europa existiert diesbezüglich noch keine umfassende Statistik, nach Angaben der EU-Kommission sind etwa 2.000 Todesopfer und 7.500 Verletzte in Europa zu beklagen, die auf das Konto von Kippen als Brandursache gehen. Gerade im Zeichen des Klimawandels stellen auch die dadurch verursachten Waldbrände eine immer stärker wachsende Bedrohung unseres Lebensraums dar.
In weiten Teilen Nordamerikas ist die selbstlöschende Zigarette inzwischen eine Selbstverständlichkeit, obwohl die Tabakindustrie die Einführung der entsprechenden gesetzlichen Regelung um Jahre hinauszögerte. Dadurch lässt sich eine Vielzahl von Bränden durch achtlos weggeworfene Zigarettenkippen oder im Rausch eingeschlafene Raucher vermeiden, tausende Menschenleben können gerettet werden. Die Tabakindustrie weiß seit über 20 Jahren Bescheid, wie Zigaretten brandsicher gemacht werden können. Dennoch macht sie in Europa keinerlei Anstalten, diese Sicherheitsmaßnahme für ihre Kunden umzusetzen. Nun bemüht sich die EU-Kommision, eine entsprechende Regelung gesetzlich zu verankern.
Fazit: Nach diesen Beispielen aus der oftmals traurigen Realität muten die Bemühungen der Tabakindustrie geradezu lächerlich an, ihre haarsträubenden Geschäftspraktiken öffentlichkeitswirksam als Verantwortung zu verkaufen. Rauchen ist mitnichten ein Genuss, sondern eine Drogensucht. Die Übernahme von Verantwortung im Hinblick auf die direkten und indirekten Opfer der Nikotinsucht würde in allererster Linie bedeuten, die Raucher vor der Tabakindustrie zu schützen, ebenso Passivraucher und die Umwelt.