Rauchen in der Schwangerschaft immer noch gravierendes Problem
Politiker und Ärzte dürfen sich nicht länger aus der Verantwortung stehlen
[08.05.2008/pk]
Eine Studie der Universität Greifswald über den Tabakkonsum werdender Mütter liefert ein erschreckendes Ergebnis: 24 Prozent der Frauen konsumierten im vierten Schwangerschaftsmonat Tabakdrogen. Diese Quote sank auch mit dem weiteren Verlauf der Schwangerschaft nur geringfügig. In der letzten vier Wochen vor der Geburt rauchten immer noch 21 Prozent der Schwangeren. Vor der Geburt waren es 47 Prozent der Frauen, die dem Nikotin frönten. Umgerechnet bedeutet das, nur etwa die Hälfte aller Raucherinnen nahm ihre Verantwortung für den ungeborenen Nachwuchs ernst und stoppte die Qualmerei.
Die Greifswalder Forscher beschäftigten sich in ihrer Studie auch mit den Hintergründen, und fand einige interessante Details. In der jüngsten Altersgruppe qualmten die meisten auch während der Schwangerschaft weiter, während mit zunehmendem Alter die Tabakabstinenz überwog. Frauen mit höherer Schulbildung zogen weitaus häufiger die Konsequenz und hörten auf zu rauchen, während mit abnehmendem Bildungsstand der Hang zur Tabakdroge zunahm. Frauen, die bereits Kinder hatten, rauchten ebenfalls unterdurchschnittlich. Einen großen Einfluss auf die Schwangeren übt das Rauchverhalten der Umgebung aus. Rauchende Partner sind bei den nicht abstinenten Frauen überdurchschnittlich häufig anzutreffen. Detaillierte Zahlen sind in den zitierten Quellen zu finden.
Erschreckend ist, dass Deutschland im internationalen Vergleich schlecht abschneidet. Die Quote qualmender Schwangerer liegt doppelt so hoch wie in Schweden oder den USA. Die Zahlen zeigen, dass selbst gebildete deutsche Frauen in der Schwangerschaft eine größere Raucherinnenquote aufweisen, als der US-amerikanische Durchschnitt. Dabei werden gerade die USA in ihrer Gesamtheit aus deutscher Sicht häufig nicht gerade als nachahmenswertes Vorbild in Bezug auf Gesundheitswesen und Bildungssystem betrachtet. Ganz offensichtlich ist dem Bildungsniveau eine gewisse Bedeutung zwar nicht abzusprechen, aber es ist auch nicht alleine entscheidend für die Verbreitung des unverantwortlichen Nikotinkonsums unter Schwangeren.
Als besonders deprimierend befanden die Forscher der Greifswalder Studie, die von April 2003 bis März 2006 durchgeführt wurde, dass über den gesamten untersuchten Zeitraum der Anteil der Raucherinnen unverändert hoch blieb. Die Maßnahmen zur Tabakkontrolle, wie Tabaksteuererhöhung, Warnhinweise auf Zigarettenschachteln, gesetzlicher Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz und öffentlichen Einrichtungen haben offensichtlich die Zielgruppe der werdenden Mütter nicht erreicht, oder wurden von den verstärkt auf Frauen ausgerichteten Marketing-Aktivitäten der Tabakindustrie zunichte gemacht.
Die Studienleiterin Kathrin Röske vom Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin der Universität Greifswald fordert deshalb, "dem Rauchverhalten Schwangerer müsse in Deutschland daher mit 'effektiven präventiven Maßnahmen' begegnet werden". Nach ihren Worten bleiben die ohnehin schon bedenklichen Studienergebnisse vermutlich sogar noch hinter der Realität zurück. Denn das Rauchen während der Schwangerschaft ist inzwischen allgemein als "sozial unerwünscht" gebrandmarkt, so dass bei der Befragung vermutlich "Tendenzen zur Verheimlichung oder Bagatellisierung des eigenen Rauchverhaltens eine Rolle gespielt hätten und das wahre Ausmaß des Problemverhaltens sogar unterschätzt worden sei".
Die Wissenschaftler der Universität Greifswald waren auch erstaunt über die mangelhaften Kenntnisse der Frauen über die Gefahren und genauen Zusammenhänge des Rauchens während der Schwangerschaft. Die schwerwiegenden Folgen eines zu geringen Geburtsgewichts waren vielen werdenen Müttern nicht bekannt, sie äußerten sich vielmehr erfreut darüber, denn bei kleineren Babys erwarteten sie eine leichtere Geburt. Offensichtlich hatten hier die von Tabaklobbyisten gerne gepflegten Mythen leichtes Spiel, von staatlicher Seite gibt es keine nennenswerte Unterstützung und Aufklärung.
Ebenso schockierend waren die Berichte etlicher Frauen, nach denen ihr Frauenarzt ihnen davon abgeraten hätte das Rauchen ganz aufzugeben, damit das Kind keine Entzugserscheinungen zu erleiden hätte. Die hartnäckige Verbreitung dieses Irrglaubens veranlasste die Forscher zu einer gründlichen Sichtung der medizinischen Fachliteratur und Konsultation erfahrener Kliniker, ob ein Nikotinentzug gesundheitliche Schäden während der Schwangerschaft verursachen kann. Dies konnte jedoch von keiner Studie belegt werden. Ohnehin dürfte selbst dem medizinischen Laien klar sein, dass ein armes Raucherbaby spätestens mit der Geburt seinen ersten Nikotinentzug durchleiden muss.
Aber auch bei den durchaus lobenswerten Angeboten von Entwöhnungskursen für Schwangere ist eine kritische Betrachtung angebracht. Die Psychologen haben oft Angst davor, die Betroffenen mit der ungeschönten Wahrheit zu konfrontieren und ihnen dadurch "Stress" zu verursachen, weil sie sonst "vielleicht nicht wiederkommen". Sicherlich gibt es Fälle, in denen ein allzu forscher Ansatz keine Problemlösung herbeiführt, und natürlich will jeder freundliche Psychologe auch weiterhin helfen. Aber muss sich denn diese Hilfe immer über Wochen, Monate oder gar Jahre hinziehen? Kann man hier wirklich noch von Hilfe sprechen, oder wird hier nicht nur eine neue, zusätzliche und anhaltende Form der Abhängigkeit geschaffen? Die nichts bewirkt, außer dem Therapeuten langfristig das Einkommen zu sichern? Wäre es nicht vielleicht manchmal besser, die verantwortungslosen und unwissenden Eltern knallhart mit den Folgen ihrer egoistischen Suchtbefriedigung zu konfrontieren, als sie langfristig aber wirkungslos zu besäuseln? Denn jeder Tag, den die Mutter weiter qualmt schadet dem Ungeborenen, jede einzelne Zigarette ist Gift für das Kind.
Leider ist es nicht nur bei Psychotherapeuten verbreitet, die ach-so-armen rauchenden Eltern um jeden Preis als Patienten zu halten, und deswegen keine allzu unangenehme Ehrlichkeit und Offenheit zu pflegen. Auch von praktizierenden Ärzten kommt leider immer noch allzu häufig die Äußerung, dass ein kompletter Nikotinentzug dem Ungeborenen mehr schaden würde, als "moderat" weiter zu rauchen, wie die Greifswalder Studie aufdeckte. Mancher Arzt scheut sich nicht einmal, vor laufender Kamera zuzugeben, dass sie ihren schwangeren Patientinnen das Rauchen nicht ernsthaft verbieten würden, weil diese sich sonst anderswo in Behandlung begeben könnten. Eine äußerst zynische und materialistische Ansicht, wie sie schockierender von keinem Tabaklobbyisten kommen könnte.
Für den betreffenden Arzt bleibt somit nicht nur die Raucherin weiterhin eine gute Kundin. Noch viel besser (aus der Sicht des Bankkontos des Arztes) ist die Chance, dass man mit dem armen Raucherkind gleich von Geburt an einen festen Dauerpatienten bekommt, der überdurchschnittliche Gesundheitsprobleme hat. Wenn das arme Wesen nicht schon in den ersten Wochen vom Plötzlichen Kindstod dahingerafft wird, dann winken schon bald weitere Behandlungen wegen Mittelohrentzündungen, Asthma und Bronchitis, um nur einige wenige zu nennen. Je länger die Eltern weiter rauchen, desto sicherer bietet die ganze Familie "ihrem" Arzt eine langfristige Einkommensquelle.
Die Tabakdroge ist also eine Geldmaschine, die selbst Mediziner in ihrem mörderischen Bann zieht. Ausgerechnet den Berufsstand, der eigentlich aus Berufsethik alles Menschenmögliche unternehmen sollte, die Bevölkerung vor der tödlichen und zerstörerischen Droge zu schützen.
Es darf auf keinen Fall vergessen werden, dass die Nachkommen der Nikotinsüchtigen oft ihr ganzes Leben unter den Folgen der verantwortungslosen und selbstsüchtigen Genusssucht ihrer Eltern leiden. Natürlich ist es weder sinnvoll noch wünschenswert, der rauchenden Mutter alleine die gesamte Verantwortung zu überlassen. Auch wenn sie diejenige ist, die letztendlich mehr oder weniger bewusst die Entscheidung für oder gegen eine Schädigung ihres Kindes trifft. Da das Umfeld der werdenden Mutter, wie die Studie der Universität Greifswald aufzeigen konnte, ebenfalls von entscheidender Bedeutung ist, sollte auch hier der Hebel angesetzt werden.
Nicht nur das Rauchverhalten der Mutter wird von ihrer Umgebung beeinflusst. Passivrauchen schadet sowohl der Mutter als auch dem Ungeborenen. Fortschrittlichere Länder tragen dieser Tatsache Rechnung, indem nicht nur das Rauchen stärker sanktioniert wird, sondern rücksichtsloser Tabakkonsum in Gegenwart von Schwangeren durch verschärfte Strafen geahndet wird. In Italien beispielsweise ist eine solche Regelung nicht nur als Alibi-Gesetz zur Demonstration des guten Willens der Politiker in Kraft (so wie der so genannte Nichtraucherschutz in der deutschen Gastronomie), sondern wird konsequent angewandt und auch in der Praxis durchgesetzt. Die viel beklagte deutsche Kinderfeindlichkeit beginnt schon bei führenden Politikern, die dem ungeborenen Leben den Schutz mit zweifelhaften (weil egoistischen und verantwortungslosen) Hinweisen auf persönliche Freiheitsrechte von Nikotinsüchtigen verweigern.
Das Rauchen in der Schwangerschaft ist in Deutschland immer noch ein ernsthaftes Problem, dessen Lösung weiterhin größter Anstrengungen bedarf. Auch nach der Geburt, in den folgenden Jahren und Jahrzehnten schadet Passivrauchen dem Nachwuchs, in jedem Alter. Die Folgen treten zum Teil erst dann auf, wenn der Nachwuchs dem verqualmten Elternhaus bereits entflogen ist. Schon Dreißigjährige erkranken an Lungenkrebs, nur weil sie das Pech hatten, in eine Raucherfamilie hinein geboren zu werden.
Die von manchen Politikern geäußerte Meinung ist also völlig fehl am Platze, das Rauchen in den eigenen vier Wänden oder im Auto sei eine reine Privatangelegenheit, in die sich niemand einzumischen hätte. Hier sind besonders Politiker und Ärzte aufgerufen, die Verantwortung nicht auf andere abzuschieben. Aber auch die Gesellschaft muss stärker daran arbeiten, derart egoistische und verantwortungslose Genusssucht in Zukunft zu ächten und wirksam einzudämmen.