Rauchverbot in der Gastronomie unter die Lupe genommen
[01.03.2008/pk]
Lange Zeit hatte die Tabakindustrie die Berichterstattung über ihre Produkte in den Medien quasi für sich gepachtet. Die Wahrheit über die Alltagsdroge - das war das, was die Tabakindustrie als angeblich objektive Berichtstattung durchgehen ließ. Das ungeschriebene Gesetz der Zensur durch die Tabaklobby war ganz einfach. Lukrative Werbeaufträge bekam nur derjenige, der sich tabakfreundlich präsentierte. Kritische Berichterstattung wurde sofort mit Auftragsentzug bestraft.
Im Internet-Zeitalter verlor die Tabakindustrie zunehmend die Kontrolle über die Veröffentlichungen. Ein wachsendes Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung und der Blick über den Tellerrand in andere europäische Staaten verhalfen zur Aufdeckung der Missstände der deutschen Tabakdiktatur, der sich auch die Medien hierzulande viel zu lange untergeordnet hatten. Selbst Beschwerden beim Deutschen Presserat über verleumderische Berichterstattung, Diffamierung und Diskriminierung von Nichtrauchern wurden noch vor gar nicht allzu langer Zeit einfach abgeschmettert.
In jüngster Zeit war immerhin eine Tendenz zu einer neutraleren Berichterstattung über die negativen Folgen des Rauchens sowie die Notwendigkeit von Rauchverboten zu erkennen. Leider gab es hier auch eine gravierende Ausnahme, das Rauchverbot in der Gastronomie. Eine überwiegende Mehrzahl von Berichten gab einseitig die Position der Tabaklobby wieder, die ganz massiv gegen jegliche Einschränkungen des Rauchens Stimmung machte. Eine kritische Auseinandersetzung, wie es eine saubere journalistische Arbeit eigentlich erfordert hätte, fand nur sporadisch statt, und dann auch nur oberflächlich.
Eine angenehm sachliche Ausnahme von diesem fragwürdigen Trend hat unlängst "Die Welt" publiziert. Während die Tabakzeitung in Bezug auf die Gastronomie noch schwadroniert, "selbst Nichtraucher haben sich über das Rauchverbot echauffiert", nimmt "Die Welt" die Schreckensmeldung des Tabak-Lagers einmal genauer unter die Lupe. So mancher Wirt, der bisher den veröffentlichten DEHOGA-Meldungen blind vertraut hatte, wird wohl über diese Fakten ins Staunen geraten.
Zunächst noch einige Auszüge aus dem Artikel der Tabakzeitung. Geradezu lachhaft wirkt die Behauptung der Tabakzeitung, Nichtraucher hätten sich aus Protest gegen das Rauchverbot und aus Solidarität Zigaretten gekauft. Die Motivation und die Hintergründe, warum sich so mancher Raucher heutzutage als angeblicher Nichtraucher präsentiert, werden in dem Artikel "'Eigentlich' Nichtraucher..." ausführlich erörert.
Zu erwähnen ist auch noch die abgedroschene Forderung der Tabakzeitung, das Entscheidung über ein Rauchverbot den Gastwirten und dem freien Markt zu überlassen. Wenn es ums Rauchen geht, ist der Markt nicht frei sondern von der Marktmacht der Tabakindustrie beherrscht. Ein Beispiel ist die DEHOGA-Kampagne "Raucher sind die besseren Gäste", die bereits vor vielen Jahren erfolgreich die Freiheit der Gastronomen in Bezug auf ein schon vor Jahrzehnten diskutiertes Rauchverbot unterwanderte.
Die Gastronomie ist die letzte große Bastion der Tabakindustrie, um die sie mit Zähnen und Klauen kämpft. Wer die Gastronomie sich selbst überlässt, macht sie zum Spielball der Tabaklobby. Nicht umsonst haben in der großen Diskussion um das Rauchverbot letztendlich sogar viele Wirte selbst nach einer klaren und vor allem einheitlichen gesetzlichen Regelung gerufen. Denn nur das ausnahmslose und einheitliche Rauchverbot schafft für alle Gastronomen Chancengleichheit.
Der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband (BHG) hat als einziger in Deutschland zu Gunsten seiner Wirte gehandelt und die Politik entsprechend mitbestimmt, anstatt sie dem Diktat der Tabaklobby zu überlassen. Das aktuelle Beispiel Rheinland-Pfalz demonstriert eindringlich, wie ein löchriges Gesetz zum Einfallstor für die Tabaklobby wird. Das dortige Verfassungsgericht kassierte das Landesgesetz, weil es zu einer Diskriminierung der kleinen Wirte führte. Da letztendlich jedoch kein Weg am Schutz vor Passivrauch vorbeiführt, wird am Ende selbst in Rheinland-Pfalz das bayerische Vorbild Schule machen.
Dem Einfallsreichtum der Tabaklobby sind offenbar keine Grenzen gesetzt, solange sich die Einfälle nur irgendwie gegen das Rauchverbot einsetzen lassen. Gerade eine Behauptung wird besonders gerne in Verbindung mit der Gastronomie heruntergebetet, nämlich die angeblichen Umsatzeinbußen bis hin zum Kneipensterben. Zur Untermauerung dieser Behauptung wird eine weitere Hypothese ins Feld geführt, nämlich des massenhafte Exodus der Raucher ins benachbarte Ausland oder in Bundesländer mit niedrigeren Standards in Bezug auf den Schutz vor Passivrauch.
So meldete beispielsweise die Deutsche Presseagentur (dpa), dass in Frankfurt (Oder) immer mehr Deutsche über den Fluss ins polnische Slubice pilgerten, weil dort kein Rauchverbot herrscht. Diese Ansicht wird von allen Wirten in Frankfurt (Oder) propagiert, die nach den Unkenrufen ihres größten Verbandes (DEHOGA) um ihre Existenz fürchten.
Dem Bericht der "Welt" ist hoch anzurechnen, dass diese Behauptungen nicht einfach zum tausendsten Male wiederholt und nachgebetet werden. Die "Welt" hat sich der Verantwortung der Presse besonnen, und diese Aussagen hinterfragt und überprüft. Eigentlich ist es schon recht traurig, dass man sich über ein solch vernünftiges Verhalten dermaßen freuen kann, denn dem viel beschworenen verantwortungsvollen Journalismus sollte eine solche Vorgehensweise doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.
Die Recherche beginnt in der Kneipe "Zur Molle", deren Wirt Lars Marggraf exemplarisch in der dpa-Meldung zitiert wird. Hier kommt den interessierten Journalisten der "Welt" der "erste Verdacht, dass hier etwas nicht stimmt". Ihnen präsentiert sich das Bild dreier "Herren um die 50, und jeder zieht genüsslich an seiner Zigarette". Das Rauchverbot interessiert sie ebenso wenig wie den Wirt, denn in Brandenburg werden Verstöße erst ab dem 1. Juli mit Geldstrafen geahndet. Also sitzen, so die Welt, "nicht nur bei Lars Marggraf die Gäste nach wie vor qualmend beieinander".
Die Deutsche Presseagentur hatte weiter berichtet, die Wirte jenseits der polnischen Grenze würden sich nun über den Ansturm deutscher Gäste freuen, die das Rauchverbot angeblich in Richtung Osten vertrieben hätte. Diese eigentlich recht einfach nachzuprüfende Behauptung nahm die "Welt" zum Anlaß, selbst einmal einen Blick über die Grenze zu riskieren. Die polnische Grenzstadt Slubice ist von Frankfurt über die Oder-Brücke zu Fuß in wenigen Minuten erreichbar.
Die "Welt" trifft im Restaurant "Oderza", erster Anlaufstation auf der Suche nach den Massen deutscher Raucher, auf ein völlig leeres Haus. 20 Meter weiter, im "Odra", befinden sich drei Gäste, man hört aber nur Polnisch. Im besser besuchten "Ramzes" findet sich dann schließlich ein Tisch, an dem Deutsch gesprochen wird, es handelt sich zwei Touristen aus Weimar. Erst im "London Pub" sind drei heftig qualmende Männer an der Bar anzutreffen, die auch noch Deutsch sprechen.
Sie sind offensichtlich noch nicht durch den Verbaldrill der Tabaklobby auf die üblichen Tiraden über das Rauchverbot getrimmt. Sie fangen sofort an zu lachen und errzählen, dass sie schon seit Jahren in die nette Bar nach Slubice kämen: "Von einem neuen Grenzverkehr könne überhaupt keine Rede sein - diejenigen, die schon vor dem Rauchverbot den Weg auf die polnische Seite der Stadt gefunden hätten, kämen eben weiterhin, und die anderen ließen es mit absoluter Sicherheit auch in Zukunft bleiben."
Der Aufenthalt im "London Pub" bekommt noch eine witzige Note, als innerhalb kurzer Zeit immer weitere Deutsche auftauchen. Mit Kameras und Mikrofonen stürzen sie sich auf die deutschen Raucher, um eine große Story über diese (in Deutschland) angeblich verdrängte und diskriminierte Randgruppe zu erhalten. Dermaßen enttäuscht, denn die drei Männer haben nichts anderes als zuvor zu erzählen, will eine Fernsehreporterin den Bericht gleich komplett auf Multikulti umkrempeln. Was den drei deutschen Rauchern ein noch lauteres Lachen entlockt.
In der "Bierbar", die im "London Pub" für weitere Nachforschungen empfohlen wird, endet die Geschichte. Auch hier tönt es ausschließlich Polnisch.
Aus dieser wahren Geschichte lässt sich vor allem ein Fazit ziehen. Der DEHOGA, und in seinem Fahrwasser auch einige opportunistische FDP-Politiker, missbrauchen das ihnen von ihren Mitgliedern und der Bevölkerung entgegengebrachte Vertrauen. Sie schüren irrational Ängste für ihre eigenen egoistischen Zwecke, anstatt den Hilfesuchenden mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Bedauerlich ist dabei, dass sich die deutsche Presse immer noch in weiten Teilen unkritisch und undifferenziert vor ihren Karren spannen lässt. Besonders bedenklich ist, dass man selbst einer derart großen und renommierten Agentur wie der dpa kein Vertrauen entgegen bringen kann.
Danke an die "Welt", dass sie endlich einmal demonstriert hat, wie verantwortungsvoller Journalismus wirklich aussieht.
Anmerkungen: Eine Kurzfassung dieses Artikels sollte auch bei openPR veröffentlicht werden. Das Presseportal verweigerte jedoch nicht zum ersten Mal die Veröffentlichung einer Mitteilung, die sich kritisch mit der Rolle der Medien befasst.
Eine Bestätigung des Zensurverdachts liefert die vorgebliche Begründung von openPR: "Unvollständige Angabe Ihrer Kontaktdaten innerhalb der Pressemitteilung und/oder ein nicht aussagefähiges Firmenportrait". Mit den gleichen Daten sind bereits mehr als ein Dutzend Pressemitteilungen von Aktiv Rauchfrei auf openPR veröffentlicht worden.
Wenn es konkrete sachliche, inhaltliche Gründe für die Verweigerung der Veröffentlichung gegeben hätte, dann wäre das Verhalten des Presseportals nachvollziehbar gewesen. Das Fehlen solcher triftiger Gründe, zusammen mit der Häufung von Verweigerungen bei pressekritischen Meldungen, wirft jedoch ein schales Licht auf die Geschäftspraktiken von openPR.
Es entsteht der Verdacht, dass die Presse ihre viel zitierte Verantwortung zur Information der Öffentlichkeit sehr eigenwillig und bevorzugt zum eigenen Nutzen interpretiert. Wenn andere betroffen sind, so wird die Pressefreiheit als Legitimation für hemmungs- und schonungslose Berichterstattung zur Auflagensteigerung herbeigezogen. Aber schon bei ein bisschen kritischer Berichterstattung über die Medien übt das "offene PR-Portal" openPR mit fadenscheinigen Argumenten umgehemmte Zensur. Ein Armutszeugnis für unsere angeblich freie und verantwortungsvolle Presse.