[27.10.2007/pk]
Unzählige Studien haben bereits die Schädlichkeit des Passivrauchens bewiesen. Jedes zweite Kind in Deutschland lebt in einem Raucherhaushalt. Diese Kinder erkranken doppelt so häufig an Mittelohrentzündungen wie Kinder in Nichtraucherhaushalten. Sie leiden weitaus häufiger an Atemwegserkrankungen.
Die Stadt Frankfurt nahm die Schadstoffbelastung des Nachwuchses etwas genauer unter die Lupe und gelangte zu besorgniserregenden Ergebnissen. Im Urin der 111 untersuchten Erstklässler fand sich bei Raucherkindern im Durchschnitt eine zehnfach höhere Belastung des Nikotinabbauprodukts Kotinin im Vergleich zu Kindern, deren Eltern nicht rauchen. Die gemessenen Kotininwerte in den Urinproben der Kinder waren umso höher, je mehr Zigaretten in der Wohnung geraucht wurden.
Frankfurts Umweltdezernentin Manuela Rottmann (Grüne) resümiert "Die Daten zur Passivrauchbelastung zeigen eindeutig, dass ein konsequentes Rauchverbot in der Wohnung die Belastung der Kinder mindern kann." Rottmann regt weiter an, dass auch außerhalb der Wohnung im Umfeld von Kindern generell auf Tabakkonsum verzichtet werden sollte.
Die nachgewiesenen Zusammenhänge zwischen Passivrauchen und Atemwegserkrankungen scheinen sich leider noch nicht bis zu den Ärzten in Karlsruhe herumgesprochen zu haben. Laut einer Pressemeldung der Karlsruher Messe und Kongress GmbH gaben die "Ärzte-Seminare Karlsruhe" in einer zweitägigen Veranstaltung "im Rahmen des Intensivkurses Pädiatrie einen umfassenden Überblick über die wichtigsten Erkrankungen der kindlichen Atemwege und deren Behandlung". Dieser angeblich "umfassende Überblick" erwähnte jedoch die Passivrauchproblematik nicht einmal am Rande.
In diesem Zusammenhang drängt sich beim Titel der Pressemeldung "Allergien und Asthma bei Kindern auf dem Vormarsch - und keiner weiß genau warum" der Verdacht geradezu auf, dass hier so mancher Mediziner wider besseres Wissen seine Augen vor der wichtigsten Ursache dieses Problems verschließt. Solange es in unserem Lande immer noch Ärzte gibt, die eine dermaßen provokative Ignoranz gegenüber der Problematik des Passivrauchens demonstrieren, haben die geschädigten Kinder wenig Chance auf eine Besserung ihrer Misere.
Es gibt zwar auch noch einzelne Aktionen wie das Projekt "Berlin qualmfrei". Das Aktionsprogramm zieht anlässlich seines Abschlusses nach drei Jahren Förderung des Nichtrauchens Bilanz: "Migrantenkinder und Kinder mit einem niedrigen Sozialstatus weisen die höchsten Nikotin-Werte auf. Bei Jugendlichen, die zur Zigarette greifen, gibt es hingegen einen leichten Abwärtstrend."
Der verantwortliche Gesundheitsstaatssekretär Benjamin-Immanuel Hoff zog eine positive Bilanz, und lobte die geleistete Arbeit: "Das Projekt hat dazu beigetragen, eine Lawine ins Rollen zu bringen und die öffentliche Debatte zu entfachen". Wie leider in der Politik häufig zu beobachten, insbesondere beim Schutz vor Zwangsmitrauchen, sind die erreichten Ziele der Aktivitäten eher schwammig, konkrete greifbare Ergebnisse fehlen. Zu Recht kritisiert Johannes Spatz vom Forum Rauchfrei, es sei nicht genug geleistet worden: "Das Projekt hat sich auf Aufklärung und Aktionen gestürzt, die harten Themen wie ein Werbeverbot von Zigaretten oder die Einrichtung einer 250-Meter-Bannmeile um Schulen wurden nicht angepackt."
Laut Andreas Schoppa vom Bundesgesundheitsministerium hinkt Deutschland mit seiner Tabakpolitik der Entwicklung anderer europäischer Länder hinterher. In Italien beispielsweise gilt bereits seit Ende 2004 ein Rauchverbot in allen Regional- und Fernzügen, seit Januar 2005 sind auch die Gastronomie und öffentliche Einrichtungen rauchfrei. Auch die vorbildliche Regelung eines umfassenden Nichtraucherschutzes in Irland, oder die Rauchverbote in Schweden, Großbritannien und weiteren Staaten sind ein lebendes Vorbild, dem sich die deutsche Politik nicht länger entziehen kann.